Montag, 15. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1545

Weiter mit den Petra-Namyslo-Tagen. Die "Gedichte des Tages" feiern sie auch am Dienstag. Insofern zeigt das Journal Kontinuität ... wie bei der Vorstellung einer Leseprobe aus dem Romanmanuskript,bei dem es einfach weitergeht, wie zuvor angefangen ...


Mitunter ... nein, immer ist ein Gedicht eine "Gefühlsfrage". Bei " Zerrissen" von Petra Namyslo hatte ich beim ersten Lesen das Gefühl "Da fehlt doch was?!". Dann aber sah ich mir das Gedicht mit seiner Überschrift an ... die "erklärt" auch den Schluss ...
In gewisser Hinsicht passt da "L wie ..." hoffentlich gut dazu. Der brave Leser erwartet etwas ganz bestimmtes hinter den drei Punkten ... aber dann hätten sie ja nicht da zu stehen brauchen ...

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (7)

... Sofort verstummten die anderen. Zugestimmt hätte zwar keiner – außerirdische Kugeln, das war natürlich auch Quatsch – aber faszinierend war der Gedanke schon.
Das war seine Gelegenheit. Rahman rutschte auf seinem Platz hin und her. „Es sind genau sieben – so wie wir“, sagte er mit betont feierlicher Stimme. „Jeder von uns könnte also eine behalten. Wenn ihr schweigen könnt. Dass mir niemand was davon erzählt! Vor allem keinem Erwachsenen. Dann wären wir sie wieder los. Bestimmt.“ Alle nickten schweigend. Rahman verteilte die Kugeln. Die leichten zuerst. Lisa gab er zum Schluss die schwere. Er versicherte ihr, dass er sie ihr nach Hause tragen werde. Was für ein Augenblick für das Mädchen! Lisa lächelte glücklich. Nun war es raus: Rahman mochte sie. Mehr als alle anderen.
„So, und jetzt muss jeder schwören“, fuhr Rahman mit seiner Rede fort. „Sprecht mir nach: Wir wollen die Kugeln fürs ganze Leben sicher verwahren und keinem außerhalb unserer Gruppe davon erzählen. Von nun an treffen wir uns hier in jedem Jahr am selben Tag. Diese Kugeln sollen das Zeichen sein für unser Zusammengehören.“
War das feierlich! „Hat jemand was zum Schreiben dabei?“ Wenn Rahman in diesem Moment von jedem einen Blutstropfen verlangt hätte – er hätte ihn garantiert bekommen. Selbst Hagen riss sich zusammen. Plötzlich verband sie alle ein durch unheimliche Kugeln, vielleicht sogar außerirdische, besiegelter Bund.
Sie schwiegen einen Moment lang, blieben aber nicht mehr lange in der Hütte versammelt. Jeder nahm seine Kugel und ging.

Tja, so pathetisch hatte es begonnen. Aber schon vor Ablauf des ersten Jahres zog Lisas Mutter zu ihrem neuen Lebenspartner nach Berlin und nahm die heimlich verliebte Elfjährige natürlich mit. Die arme Lisa fühlte sich wie Gepäck. Kurz vor der Abreise betrachtete sie traurig die bis dahin mit vielen Tricks verborgene Kugel. Grübelte lange, bis sie eine Lösung fand, das schwere Symbol ihres Bundes wenigstens heimlich im Gepäck unterzubringen. Lisa hatte sogar daran gedacht, die Kugel Rahman zurückzugeben oder wenigstens zu tauschen. Es waren eigentlich doch alle seine. Aber was hatte er gesagt? „Sie ziehen sich an wie Magnete. So wie wir.“ Lisa hatte ihm dafür einen Kuss gegeben. ...

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