Sonntag, 7. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1537

Auf sehr eigene Weise "weltsichtig" erweisen sich diesmal die "Gedichte des Tages". Insofern passen sie zur vorletzten (?) Fortsetzung der utopischen Erzählung, die ja in einer sehr fernen Welt spielt.


Es ist nur ein Bemühen.
Doch es ist nicht fruchtlos: Wer schreibt, holt Welten in seine kleine Welt, Zeiten, fremden Kulturen, Denkweisen, Anders-Sein. "Dichterbegegnungen" sind eine solche Chance. Manchmal schaut ein Stück spanischer Geschichte in die Cita de la Poesia, manchmal ein vor Jahrhunderten verstorbener Indio ... manchmal erblicken wir sie. Jürgen Polinske hat es diesmal ergriffen ...
Da folgt aber gleich der Sturz in eiskaltes Wasser. Ich halte nämlich "Ein amerikanischer Roman" dagegen ... und es ist klar, dass damit das Gringo-Amerika gemeint ist. Vielleicht steckt aber noch eine Unverständlichkeit darin und es MUSS der Freitag durch den Montag ersetzt werden?! 





Slov ant Gali: Der lebende See (17)


... Das aber hatte ich gelernt: Man darf sich nicht darauf versteifen, dass etwas sicher Scheinendes nicht doch ab und zu überprüft werden sollte. Monatelang testete ich also verschiedenste Saftkombinationen, Milchbaumnektar, unterschiedlichste Strukturen, um Libellen und an unsere Bienen erinnernde Flugwesen zu füttern. Und ich kann mir auf die Schultern klopfen, also natürlich auch Wroohn und ihren Schülern, die praktisch die Testreihen durchführten, die Beobachtungsposten besetzten. Wir fanden etwas. Bei einer Futterlösung entwickelten die „Bienen“ eine extreme Aktivität. Schnell stellte sich heraus, dass ihre Art sich sprunghaft vermehrte, besondere Lebenskraft erreichte. Es folgten viele weitere Untersuchungen. Für den Einsatz bei den Schla mussten die Bienen mein Futter erst umwandeln. Dazu verfütterten sie es an ihren Nachwuchs. Der Einfachheit halber nenne ich das Produkt Honig. Der bewies schnell seine Eignung zur Wundheilung und als Universalmedizin. Das allein war schon ein Erfolg. Doch dann ...
Das Problem war ja nicht, ein Neugeborenes in Honigmilch zu baden oder ihm etwas einzuflößen, das Problem war, es unter Bedingungen zu tun, die bewiesen, dass eben diese Milch das Seewasser wirklich ersetzte. Das möglichst auch noch so, dass es der See nicht gleich erführe.
Bei der Auswahl an Lebensformen hatte der See auch darauf geachtet, dass keine Pflanze etwas enthielt, das in üblichen Aufnahmemengen für die Schla Gift sein konnte. Trotzdem gab es Pflanzensäfte, die die Verdauungstätigkeit des Schla-Darms beeinflussten. So extrahierte ich ein sehr anregendes Mittel. Als ich mir sicher war, dass die Honigmilch zwar nicht beantworten konnte, woher die Lebensuntüchtigkeit der Neugeborenen eigentlich kam, sie die aber genauso gut wie das Seewasser beheben würde, gab ich dem wartenden Vater ein Gebräu zu trinken, während ich sein Baby behandelte. Er lief los.
Ja, er tat mir leid. Er schaffte es nur über den nächsten Hügel, dann mischten sich Durchfall, Schwindel und andere Probleme zu einem Cocktail der Wehrlosigkeit. Eine Zeit der Unruhe begann. Was würde geschehen? Wenn nun eine Dosierung nicht gestimmt hatte …
Kurz gesagt: Als ich mich gerade aufmachen wollte, um meinem Opfer zu folgen, kam ein schwankender, aber total glücklicher Vater zurück. Das Baby hatte gebrüllt, das Baby lebte.
„Ich glaube, den Weg zum See brauchen wir nicht mehr. Aber wir wollen sichergehen. Wir werden die nächsten Babys mit Honig behandeln. Wenn sie nicht richtig leben, bevor der Sand durch diese Uhr gelaufen ist, kann der Lauf zum See ja immer noch begonnen werden.“
So handhabten wir es. Es wurde kein Lauf mehr nötig und eine Sanduhr nahm ihre Arbeit auf.
Es war vollbracht. Die Nabelschnur zum lebenden See war gekappt. Er war nicht mehr notwendig. Umgekehrt brauchte er die Schla-Prozessionen, um von den Entwicklungen seiner Kinder zu erfahren. Er würde wohl Ziel kultischer Handlungen werden, vielleicht ein Gott-Mythos, letztlich ein Blinddarm der Evolution auf diesem Planeten. Im Idealfall ein positiver Störfaktor konnte er noch sein. Vielleicht fände er Wege, um die Herausbildung von biologischen Gleichgewichten zumindest zu verzögern. Früher oder später würden sich aber sicher Tiere entwickeln, die von den Pflanzen leben wollten und weil die sich anfangs ohne Feinde so schnell ausbreiteten, gäbe es auch bald Tiere, die sich von diesen Tieren ernährten. Vielleicht aber gestalteten dann schon die Schla ihre Welt nach ihren Vorstellungen. Viel von dem, was sie zum dafür nötigen Denken befähigen konnte, lernten die neuen Kinder bereits in der Schule. Ja, selbst von Metallen und ihren interessanten Eigenschaften und wie sie gewonnen werden könnten, hörten sie schon. Sie würden welche finden und sie nutzen. Früher oder später, aber bestimmt. ...


  

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