So stehen bei den morgigen "Gedichten des Tages" zwei Herbstgedichte auf dem Programm ... und hier geht danach die utopische Erzählung weiter ...
Es ist schon ein seltsames Gefühl: Man steht am Grab eines Künstlers und betrachtet seinen Grabstein. Darauf steht aber ein ganz anderer, ein sehr bürgerlicher Name, der die "sterblichen Überreste" des menschlichen Teils eben dieses Mannes vereint mit der Lebensgefährtin, die so viel Freud und Leid mit ihm geteilt ... Vielleicht kannten die, die dem Steinmetz seinen Auftrag gaben, nur die eine Seite des Verstorbenen? Ob wohl Thomas Reich Ähnliches beschäftigte, als er "Abschied nehmen" schrieb?
Nun ja,gerade im Herbst bemerkt man manches als Unabänderlich?
Slov ant Gali: Der lebende See (11)
... Neugierde
schienen sie nicht zu kennen, und sei es, weil da ja „Gier“ drin
steckte. Bei Spiel und Sport lernte ich die meisten Schla
oberflächlich kennen. Die Männer schienen nur unwesentlich weniger
sanftmütig zu sein als die Frauen. Ich bemerkte kaum Unterschiede
zwischen den einzelnen Schla. Niemand schien Grund zum Widerspruch zu
haben, wenn für oder über ihn entschieden wurde, mit wem er den
Hauptteil seines Lebens verbringen sollte. Da so wenig Zeit für
Arbeit nötig war, verging die meiste Zeit bei Freude an Kunst, Sport
und Spiel. Zu fast jeder Stunde und Gelegenheit hörte man sie
singen.
Ich könnte das so fortführen. Für
mich als Mensch eine öde Welt des Stillstands. Und ich vermochte sie
nicht aufzurütteln. Ich war wohl nicht zum Prometheus geboren.
Bis mir eines Tages eine Idee kam.
„Sag, Wroohni, sind wir nicht vom
lebenden See besonders beschenkt worden?“
Es war ein wunderschöner Morgen,
Olahoo hatte durchgeschlafen und schlief nach ihrer Morgenbrust schon
wieder. Wir hatten uns in Zärtlichkeiten gefunden, und längst
wusste Wroohn, dass Wroohni ein Kuschelwort war. So murmelte sie
etwas unbestimmt Zustimmendes, als sollte ich sie noch nicht munter
machen. „Die Vorsteherin weiß, wann wir wieder zum Danke sagen
wandern. Wir werden dabei sein.“
„Das meine ich nicht, Wroohni. Ich
meine wir als du und ich, wir beide. Wir sind doch etwas Besonderes.
Jeder ist natürlich etwas Besonderes, aber sieh mich doch an: Bin
ich nicht anders und du bist bei mir?“
Wroohn schnurrte wie eine Katze und
irgendwie spürte ich Sehnsucht nach meiner Welt, in der es eben auch
Katzen gab.
„Ich glaube, wir sollten einmal uns
ganz persönlich bedanken, dem See unsere Olahoo zeigen und unsere
Freude, dass wir sie haben.“ (Warum hatte ich Wroohn eigentlich nie
erzählt, dass mir dieser Teufelssee das Baby beinahe entrissen
hatte?)
„Wenn du das so sagst, dann machen
wir das so.“
Furchtbar. Bestimmt hätte sie das auch
gesagt, wenn ich hätte allein gehen wollen. Nur dass sie da heimlich
traurig gewesen wäre.
„Weißt du was? Wir gehen gleich los.
Etwas Proviant habe ich bereit gelegt und drei Körbe für den See.
Psst! Die andren in der Siedlung müssen nichts davon mitbekommen!“
Ich sah es Wroohn an, dass sie das
nicht verstand. Sie erkannte aber die spitzbübische Vorfreude an mir
und das reichte ihr als Grund, mitzumachen.
Schon vor dem höchsten Stand der
hiesigen Sonne stiegen wir vom letzten Hügel hinab in die Senke mit
dem mysteriösen See. Wir machten Picknick. Wir verbeugten uns vor
dem See. Wir warfen unsere Körbe hinein. Sie versanken. Nicht
Besonderes geschah. Wie weiter?
„Darf ich allein in ihm baden?“
„Hmmm!“
Es war sowieso eine vom Gewohnten
abweichende Situation. Warum sollten wir da nicht so handeln, wie ich
das dachte? Das Problem war nur, dass ich das schwarze Wasser
durchquerte, Schwimmzüge andeutete … und es gleich Zeit war,
wieder zu Wroohn zu gehen und nichts hatte sich getan. Erst bei den
letzten Schritten zum Ufer fielen mir die folgenden Worte ein:
„Möcht bloß wissen, warum hier alle
dieses Dreckloch als lebenden See verehren. Also Seen gibt es doch
wirklich nützlichere.“ ...
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