Sonntag, 4. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1814

Zuerst wieder Prosa, noch ein Stück alter SF-Roman:

Slov ant Gali: Planet der Pondos (31)

Die anderen Mädchen alberten lautstark unter den Duschen herum. Unter den beiden mittleren drehten sich die Jungen. Alle waren in einen Schwall heißen Dampfes gehüllt. Niemand schien Uljana und Xu-Li zu bemerken.
„Was ist denn mit denen“, fragte Xu-Li laut, ohne dass sich jemand zu ihr umgedreht hätte, obwohl es alle gehört haben mussten.
Uljana schüttelte den Kopf. „Ich muss dir noch was zeigen. Komm noch mal zurück!“
Bevor sie den Duschraum verlie?en, drehte sich Xu-Li um. „Is irgendwie unheimlich! Als ob wir Luft für die wären.“
„Gib ?s auf!“ antwortete Uljana. „Das wird langsam zum Albtraum.“ Und ganz leise, mehr für sich selbst, ergänzte sie: „Das hängt alles mit dem Wecken zusammen. Hoffentlich hört das bald auf!“
Uljana ging auf das Bett des toten Mannes zu, anfangs mit schnellen Schritten, dann immer langsamer. Xu-Li blieb einen halben Schritt hinter ihr. Vielleicht nahm sie schon den penetranten Gestank wahr. Uljana quälte das Gefühl, der Geruch käme von überall her, und er wurde immer unerträglicher.
Dann deckte Uljana den Mann vorsichtig auf. Xu-Li wendete sich angeekelt ab.
„Ich habe ihn …“
Das „…getötet!“ blieb Uljana im Hals stecken. Die Saaltür flog auf. Eines der grö?eren Mädchen stürmte an der Spitze der anderen Kinder herein. „Wollt ihr nicht mit zum Frühstück? Ich dachte, …“
Das Mädchen verstummte. Die nachdrängenden Kinder schubsten es vorwärts. Sie hatten erst nur Uljana und Xu-Li gesehen, dann aber auch den Mann, und inzwischen hatte sie auch der Gestank erreicht. Sie blieben stehen. Betretenes Schweigen.
„Kann mal einer anfassen?“ bat Uljana. Sie sah von einem zum anderen. Alle senkten den Kopf. Wendeten sich ab. „Er kann doch hier nicht so liegen bleiben“, fuhr Uljana leiser fort. „Zumindest einfrieren…“
Sie drehte sich wieder dem in seinen Exkrementen Liegenden zu, holte tief Luft und hörte plötzlich eine merkwürdig tiefe Stimme neben sich: „Du willst wohl nicht drüber sprechen, was los ist? Kommste nich drumrum.“ Und als Uljana nicht sofort antwortete: „Na, dann müssen wir wohl.“ Es war das Mädchen, das vorher als erstes in den Saal gerannt war. Es packte den Mann an den Fü?en und zerrte ihn auf den Boden. Dann griff es nach dem Bettzeug. „Wohin damit?“
„Lass. Er muss nur in die Schale. Wir frosten alles mit ein.“ Uljanas Stimme klang gedämpft.
„Okay!“
Uljana ließ das Bett in der Wand verschwinden; die Frostschale kam hervor. Zu zweit bugsierten sie den Mann hinein. Wieder Knopfdruck. Fast lautlos schob sich der Deckel über die Schale, die nun wirklich ein Sarg war. Uljana holte ein frisches Laken und legte es über den Behälter. Nun war nichts mehr von dem Mann zu sehen. Es waren nur Sekunden vergangen, seit Uljana den Schalter zum Einfrosten betätigt hatte. Doch als sie sich zu den anderen Kindern umdrehte, standen nur noch Xu-Li, die Fremde und Sarah hinter ihr. Die anderen hatten den Moment genutzt, um sich davonzuschleichen. Uljana streckte dem Mädchen die Hand entgegen. „Danke!“
Die sah auf ihre Hände. „Vergiss es! Komm lieber duschen!“
Oh, ja! Nur schnell zu den Toiletten. Der Ekel erregende Gestank schien überall zu sein. Uljana rannte los. Jetzt wo eigentlich das Schlimmste vorbei war, kam es ihr vor, als ob ihr Magen mit aller Kraft nach drau?en wollte. Als sie am Becken hockte, lie? das Würgen langsam wieder nach. Uljana lief zum nächsten Replikator und rief „Seife, duftend, schnell!“ Sie schäumte die Hände dick ein, rieb und rieb, spülte ab, fühlte sich noch immer vom Gestank besudelt, ging hinüber in den Duschraum, zog sich aus, stellte sich unter den warmen Schauer, und setzte sich nach einer ausgiebigen Dusche – noch nass – auf einen Stuhl. Jetzt einfach losheulen! Aber es ging nicht. Schlie?lich schlurfte sie zum Kasino.
Als sie die Tür öffnete, verstummte alles Gemurmel. Einige Kinder sa?en vor ihren unberührten, frisch replizierten Frühstückstellern. Allein das Mädchen von vorhin klatschte Ketchup auf einen Eierkuchen. Wie jemand so etwas essen konnte! Uljana würgte es wieder. Sie setzte sich an den übernächsten Tisch zu den beiden Jungen.
Frank wich Uljanas Blick aus. Eigentlich fand Uljana ihn interessant. Hätte sich gern mit ihm ausgesprochen. Er verstand sie bestimmt. Aber warum fragte er nicht nach dem toten Mann? Oder nach den anderen? Ob Uljana etwas über seine Eltern wüsste... oder ihre... Oder irgendetwas, was ihre Lage betraf? Sie hätte so gern erzählt, dass sie eigentlich nichts wusste, nichts verstand, Hilfe brauchte, fast alle Kinder von einer Krankheit befallen zu sein schienen. Aber wahrscheinlich war auch er betroffen.

Sie hatte nicht auf Sarah geachtet. ... 



***
... Und nun die Gedichte des Tages von morgen:

Man soll ja nicht tiefstapeln und "Dreizeiler" zu gestalten, die dem "Silbenrhythmus" 5-7-5 folgen, ist auch ein Bratakt in ausgelassenem Gehirnschmelz, aber mehr habe ich diesmal nicht zu bieten:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 21 - 23

Slov ant Gali: Senryū Nr. 25


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