Slov ant Gali: Jeder gegen jeden (3)
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***
Ta schüttelte sich.
Nein. Sie fror nicht. Sie versuchte
nur, die Demütigung des vorigen Raumes abzuschütteln. Da war sie
noch nackter als nackt. Der Prüfungsarzt hatte die äußere
Kontrolle an ihr vorgenommen. Er bürgte dafür, dass sie absolut
nichts ins Labyrinth einbrachte als ihren Körper und ihren durch
nichts manipulierten Geist. Zwei Tage hatten die Kandidaten schon
gemeinsam im Wartebereich zugebracht. Auch da unbekleidet. Sie hatten
vorm Betreten jene berüchtigte Flasche leeren müssen. Die Substanz
zum Reinigen der Verdauungsgänge. Magen. Darm. Jeder Kandidat hatte
immer wieder neu eine Wasserflasche auszutrinken, sobald sein
Kontrolllämpchen dies forderte. Inzwischen dürfte kein Fremdstoff
mehr im Körper übrig sein. Ersetzt durch allgegenwärtigen Hunger.
Und der Einblick des Arztes war das Ende der Vorbereitung. Mund- und
Rachenhöhle, Dickdarm, Vagina, Bauchnabel. Haare waren sowieso nicht
erlaubt. Kein Kandidat sollte die Chance haben, sich einen
persönlichen Vorteil zu verschaffen. Wie er den im Labyrinth hätte
ausspielen sollen, verstand Ta nicht. Angeblich gab es im gesamten
Testgelände keinen Kubikzentimeter, der nicht überwacht wurde.
Die Tür schlug zu. Ein dumpfer, kaum
hörbarer Ton. Überall Schall schluckende Wände wie angeblich vor
Jahrhunderten in Irrenanstalten. Eigentlich ein guter Vergleich. Wer
sich auf das Labyrinth einließ, musste irgendwie irre sein. Ein
ehrenvoller Abschluss als Dottore lag hinter allen. Das hieß,
Leutnant war jeder. Darüber redete man nicht. Man war eben als
Raumfahrer bestätigt. Die Teamprüfungen lagen auch hinter allen.
Wer mit einer begrenzten Zahl Mitfahrern für eine lange bis
unbestimmte Zeit auf engem Raum zusammengesperrt wäre, brauchte das
Gefühl, sich auf die anderen verlassen zu können. In einem
umfangreichen Programm musste jeder Punkte gesammelt haben, indem er
anderen das Leben oder sie unter hohem eigenen Einsatz zumindest aus
einer misslichen Lage gerettet hatte. Immer neue Tests: Die
Hemmschwelle, für andere im engen und übertragenen Sinne
einzuspringen, musste bei jedem Raumfahrer überdurchschnittlich
niedrig liegen. Das war allgemeiner Ehrenkodex. Jeder musste das bei
einem beliebigen anderen voraussetzen können, ohne ihn persönlich
zu kennen. Wer die Uniform tragen durfte, war die A-Klasse der
Zuverlässigkeit. Zumindest musste er das eben auch praktisch
bewiesen haben.
Der Dottore war hinreichend für alle
Raumfahrer und alle sachlich Verantwortlichen in der Raumflotte. Also
für Fachgebiete.
Ta aber wollte nicht nur ein einfacher
Offizier werden. Sie wollte ein Kommando. Für alle Offiziere aber,
die künftig direkt über Menschenschicksale entscheiden würden,
hatte man diesen Anti-Mensch-Test ersonnen.
Ta drückte ihre Linke auf den
beschichteten Button. Es summte. Wahrscheinlich wäre der Lärm bei
anderen Wänden ohrenbetäubend gewesen. Ein Fester hatte sich
geöffnet. Hinter ihm befand sich eine Art mit Kugeln gefüllte
Wanne. Ta fischte eine heraus. Kurz musterte sie sie. Sie hatte
wirklich nichts Auffälliges. Gelb und ohne Kratzer, Zeichen oder was
auch immer sie von den anderen hätte unterscheiden könnte. Es waren
genau zwei Kugeln mehr als Kandidaten in der Wanne gewesen, also 26
Kugeln, darunter zwei, die gleiche Ziele beschrieben. Im
theoretischen Glücksfall blieben diese Double liegen. Wahrscheinlich
aber war, dass unter den anderen 23 Startern zwei das Ziel 1 zogen,
das schon vorher jemand anderes gezogen hatte. Das hieß zugleich,
dass bis zu zwei Kapitänsanwärter nackt und erschöpft merken
würden, dass ihre Ziele 1 nicht mehr im Labyrinth lagen. Theoretisch
hatten sie die Möglichkeit, zurück zum Start zu gehen und eine der
beiden Restkugeln zu holen. Praktisch aber begann bereits die Jagd um
das, was die anderen schon hatten.
Denn das war das, was diesen Test von
allen vorigen unterschied. Das Labyrinth verließen bis zu fünf
Sieger. Überlebende. Solange noch mehr als fünf Kandidaten als
lebendig geführt wurden, ging der Kampf jeder gegen jeden weiter.
Und als Sieger konnten die das Labyrinth auch nur verlassen, wenn sie
die fünf Objekte, also die Ziele 2, gefunden hatten. ...
.***
Und die "Gedichte des Tages"?
.Der Forderung, jeweils eine echte Sinneinheit zu tragen, entspricht zumindest das erste Gedicht nur seeeeehr bedingt:
Slov ant Gali: Senryū Nr. 51
(Man darf sich auch einmal "auf die Schippe nehmen" ...)
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