.Slov ant Gali: Jeder gegen jeden (5)
... Ta hatte ihre Kugel geöffnet und den
Wegplan ausgepackt. Noch immer lauschte sie in die Umgebung. Nichts
deutete auf einen Gegner hin. Vielleicht war es wirklich wichtiger,
von hier wegzukommen, bevor der nächste Kandidat aus der Schleuse
kam? Wenn doch der Plan genau und zutreffend gewesen wäre! Aber alle
Kandidaten waren gewarnt worden: Das gesamte Testgelände sei ein
Labyrinth. Keiner der Pläne enthielte alle Wände oder gar alle
Wände dort, wo sie wirklich seien. Wer die Suche wagte, würde
zuerst einmal ein verdammt gutes Orientierungsvermögen brauchen,
einen Stift hatte ja niemand, um sich wenigstens die Sackgassen
aufzuzeichnen, die schon getestet waren. Das hatte aber auch einen
Vorzug: Vorerst war wenig wahrscheinlich, dass gerade ein Strahler
auf Ta gerichtet war.
***
Martin betrat das Labyrinth, als ob
dort keine Gefahr drohen konnte. Diese verdammte Nacktheit war
grausig. Mit jedem Hauch auf allen Poren Zeichen der Wehrlosigkeit,
der Schutzlosigkeit. Wollten diese Hochgelehrten, die sich dieses
Auswahlverfahren ausgedacht hatten, den Kandidaten dieses Gefühl
vermitteln? Sollten die eventuell künftigen Kapitäne von
Raumschiffen der Menschheit schon einmal durchleben, wie das ist,
rundherum in einer übermächtigen und wahrscheinlich
menschenfeindlichen Umgebung zu stecken? Man verfügt über ein
kleines Raumschiff, aber in Wirklichkeit ist man ein Nichts? Nicht
genug, dass man selbst beim kleinsten Fehler draufgehen konnte, man
lieferte auch seine Mannschaft aus. Nein. Er würde diese Rolle nie
ausfüllen. Commander? Das war nichts für ihn. Aber irgendwie war
Martin doch stolz: Wie viele Kommissionen hatte er schon getäuscht,
durch wie viele Psychotests war er gekommen. Vielleicht war es aber
gerade diese Sicherheit, dass er eigentlich nicht hätte bestehen
können, dass er sie dann doch bestand – noch dazu mit
überdurchschnittlichen Werten. Alles war nur ein Spiel. Der Einsatz
war das Ganze und eigentlich verloren, bevor es losging, und mit der
unschuldigen Verwunderung eines Kindes, das eine dreifache Portion
Eis bekam, weil es bescheiden gesagt hatte, ihm reiche die kleinste,
Hauptsache die anderen hätten ihre. Es hatte nie jemand erkannt,
dass es Martin gar nicht um irgendwelche anderen gegangen war,
sondern um eine ganz bestimmte andere. Ta war seine heimliche
Sandkastenliebe gewesen und war es geblieben – mit Höhen und
Tiefen zwar, mit einem Riesenmaß an Selbstverständlichkeit, dass er
für sie da war, und der Unbegreiflichkeit, warum er nicht seine
Gefühle ausgesprochen hatte. Wahrscheinlich war diese Beziehung das
Einzige, bei dem die Erwartung des Scheiterns ihn behindert hatte.
Nur hier wäre es ihm unerträglich gewesen, die erwartete Abfuhr zu
bekommen. So hatten ihn die meisten Kommilitonen zu Unrecht für
einen Glückspilz gehalten, weil er alle Aufgaben besonders leicht
löste. Die wichtigste, die, an der ihm wirklich etwas gelegen hätte,
löste er nicht. Und immer dann, wenn er sich durchgerungen hatte,
vor Ta zu treten und große Worte auszusprechen, hatte sie gerade die
nächste Beziehung. Manchmal dauerte deren Ewigkeit zehn Tage,
manchmal zehn Monate, nie länger. Danach war Martin einfach da. ...
.***
Natürlich steht auch diesmal ein Blick auf die nächsten "Gedichte des Tages" auf dem Programm:
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