Slov ant Gali: Jeder gegen jeden (7)
... ***
Tom hatte seine spezielle Vorbereitung
auf das Labyrinth abgeschlossen. Er wusste, erst einmal drin, gewann
man nur schwer einen Überblick über das Ganze. Tom wollte möglichst
viele Fakten zur Entscheidungsfindung. Für das Gelände galten
allerdings bis in die Gegenwart Regeln, die eigentlich vor
Jahrhunderten abgeschafft worden waren. Dazu gehörte, dass es keine
offiziellen Angaben über die Größe des Labyrinths gab. Auf Karten,
die man sich besorgen konnte, war es Bestandteil der Umgebung. Da es
mitten im Sperrwald lag, erschien es auf den Karten als Teil dieses
Waldes. Der Sperrwald war zwar eigentlich längst nicht mehr gesperrt
und für die angehenden Kadetten sowieso nicht. In ihm gab es mehrere
Waldlaufstrecken, die intensiv genutzt wurden. Trotzdem kam man nicht
bis an den Zaun heran. Tom hatte versucht, von den ausgetretenen
Wegen abzuweichen und sich dem Rand des Labyrinthgeländes zu nähern.
An einer mindestens vier Meter hohen Mauer war der Versuch dann zu
Ende. Nun konnte es natürlich sein, dass nicht sofort dahinter das
Labyrinth begann, aber Tom war zumindest sicher, dass ein Areal von
fünf mal fünf Kilometern gegen die Außenwelt abgeschottet wurde.
Wer immer darin gewesen war, machte aus seinen Erlebnissen ein großes
Geheimnis. Nun hielt Tom wahrscheinlich eine Antwort in Händen. Auf
dem Plan, richtiger: den beiden Plänen, die er der Kugel entnommen
hatte, ergab sich, dass die gesamten 25 Quadratkilometer zu ihrem
Kampffeld gehörten. Das Häuserlabyrinth lag an einer Seitenfläche
und maß zwei mal zwei Kilometer. Hier war ein Kreuz eingezeichnet.
Das war also sein Ziel 1. Der Zettel war quadratisch mit etwa 15
Zentimeter Seitenlänge. Also entsprachen drei Zentimeter einem
Kilometer in der Wirklichkeit. Wobei es schwer sein würde, sich
diese Strecke vorzustellen. Immerhin stellte der zweite Zettel den
Ausschnitt um Ziel 1 dar. Hier fehlte aber jeder Anhaltspunkt, wie
groß und wie genau diese Abbildung war. Es gehörte zur Leistung der
Kandidaten, dies herauszufinden, und als Schwierigkeitsgrad war wohl
angesetzt worden, dass die ersten es normalerweise nicht schaffen
konnten, sich tatsächlich mit ihren Waffen am Eingang auf Lauer zu
legen. Bei durchschnittlich 25 Teilnehmern im 10-Minuten-Takt schon
viel. Die Unsicherheit waren natürlich die Wildcards, die ja mehrere
Tage auf dem Gelände gekämpft hatten und sich schneller orientieren
konnten. Von denen konnte der erste im Extremfall schon nach 30
Minuten als Heckenschütze lauern. Aber nur im Extremfall. Und der
Umgang mit diesen Zetteln war ein Problem für sich: Das normale
menschliche Denken war doch darauf getrimmt, Computerdaten zu deuten.
Er hätte ein Programm gestartet mit der größten Deckungsgleichheit
der Markierungsdaten. In Bruchteilen von Sekunden verglich so ein
Computer jeden erdenklichen Maßstab und errechnete darauf aufbauend
den optimalen Weg. Ein gutes Programm enthielt auch eine
Fehlerwahrscheinlichkeitsrechnung, also wo am ehesten auf dem Plan
eine Wand falsch eingezeichnet sein könnte.
Optimal für eine Gruppe, die das
Labyrinth gemeinsam meisten wollte, wäre natürlich gewesen, sich
gleich am Anfang noch nackt hinter der ersten Abzweigung oder Tür
rechts zu verbergen. Alle Kandidaten, die dies nicht wussten, liefen
vorbei. Die eigene Truppe aber würde alle Aufgaben gemeinsam lösen.
Oder eigentlich war das doch nicht
optimal. Die Beobachter hatten die Sicherheit, dass eine
wettbewerbsverzerrende Vorabsprache getroffen worden war. Wichtiger
aber war, dass Bona die Startposition 18, Misty gar erst die 21
erwischt hatte. Das hätte geheißen, dass alle noch wehrlos nackt in
Startnähe gehockt hätten, während die ersten Gegner mit Sicherheit
bewaffnet ihre Taktik umzusetzen konnten. Die hätten sie wie
Karnickel jagen können – gleich fünf Wehrlose auf einmal …
Moment …
Tom stand einen Augenblick starr da.
Dass sie darauf nicht gekommen waren? Der eigene Plan war
modifizierbar. Er, Tom, musste nur schnell an seine Waffe. Dann
konnte er vielleicht noch die beiden Frauen abfangen und ein paar
Kontrahenten gleich am Eingang aus dem Rennen werfen. Ta und Martin
liefen ihm nicht weg. Die würden in ihrer Ecke lauern, bis er mit
seiner Übermacht von drei Strahlern auftauchte. ...
***
Bekannt ist auch, dass nun die "Gedichte des Tages" folgen:
Bei Jürgen Polinskes Gedicht ohne Titel ist die toternste Frage: Ist es nun ein Sonett oder nicht. Tierisch ist es bestimmt ... und blutrünstig ... oder wie das heißt. Da kommte ich nur etwas besonders Trockenes dagegen halten:
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