Slov ant Gali: Jeder gegen jeden (10)
... Serada entschied ohne Diskussion. Sie
kannte Iwan gut genug. Er hätte seine moralischen Bedenken
ausdiskutieren wollen, hätte ihr als Frau den Vortritt lassen wollen
und vielen Quatsch mehr. Dabei war die Situation schon peinlich genug
so nackt und dabei heimlich beobachtet und dazu dieser Mann, der wohl
am liebsten den Kapf abgebrochen hätte, um mit ihr zusammen zu sein.
Es wurde ein Reinfall. Nein, sie
begegneten noch immer keinem Kontrahenten mit oder ohne Strahler,
obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Kampfbegegnung eigentlich von
Minute zu Minute stieg. Das gebot die Logik. Die Ziele 1 waren sicher
alle weit vom Eingang verborgen, damit sich die Kandidaten alle etwas
in Wehrlosigkeit erschöpften. Ein Versteck draußen war zu ungleich
einem im Innenlabyrinth … Aber alle Diskussion war müßig.
„Wir irren uns nicht. Genau hier ist
die Stelle, an der die Zielmarkierung auf der Karte ist. Und hier ist
nichts.“
„Wollen wir nicht nochmal ..“
„Nein, Iwan, wir wollen nicht. Wir
wollen mein Paket finden. Danach können wir es immer noch wieder
hier probieren. Dann kann aber der eine den anderen sichern. Ich mach
hier nicht den Hasen.“
Serada strich ihre Karten am Boden
glatt. Daneben lagen Iwans.
„Sowas hatte ich befürchtet. Es ist
gar nicht weit. Dann gibt es hier noch mehr Ziele, die vielleicht
längst gefunden sind. Deins hat wohl jemand gefunden.“
Es war eine Übung aus dem
Standardprogramm Häuserkampf. Zu ihrer normalen Ausbildung hatte es
gehört, einander zu sichern, während sie ein fremdes Objekt
untersuchten, ein „Haus“ eben. Sie kämpften sich Raum für Raum
vor, riefen sich leise „Sicher!“ zu, lösten sich ab dabei. Na
gut. Einen Unterschied zum Training gab es schon: Sie waren beide
unbewaffnet, konnten sich also nicht wirklich sichern.
Es wurde immer gespenstischer. Noch
immer waren sie keinem der anderen Kämpfer begegnet. Auch keiner
Spur von einem. Dann hatten sie das Zimmer mit Seradas Ziel 1
erreicht. Iwan postierte sich am Gang. Allerdings hätte wohl das
Geräusch des Auspackens des „Seesacks“ das Geräusch der
Annäherung eines vorsichtigen Gegners übertönt. Da rief Serada
Iwan an.
„Wie witzig! Aber wie für mich
gemacht.“
Tatsächlich enthielt das Paket
Bekleidung für eine zierliche Frau. Ein kurzes khakifarbenes Kleid
aus einem robust wirkenden Stoff. Dazu lederne Knieschützer und
passende Kampfstiefel.
„Na toll! Und ich soll dich nackt
begleiten?“
Die folgenden Bewegungen waren nur als
Zeitlupenaufnahme genau zu verfolgen. Serada warf sich plötzlich zur
Seite, ihre erste Handbewegung hatte bei Iwan ein kurzes Zucken
bewirkt. Er warf sich auf den Boden. Seradas Strahler schien die Hand
der Frau zu führen. Der Schuss verursachte genauso wenig ein
Geräusch wie der Strahl. Ein paar Krümel bröckelten an der Wand
ab. Ein unterdrückter Aufschrei. Stille.
Serada und Iwan rührten sich nicht.
Mit kaum merklichen Bewegungen von Kopf und Augen versuchten sie sich
zu verständigen. Es war klar. Iwan hätte sich gern überzeugt, ob
der Schuss ein Treffer gewesen war. Hinter der Deckung des nächsten
Durchgangs lockten nun Bekleidung und eine eigene Waffe. Serada
traute dem allzu glücklichen Zufall nicht. Bleib hier, riefen ihre
Augen. Iwan aber hatte sich daran gewöhnt, auf Seradas Augen zu
hören. Unsicher verfolgte er ihre Aktivität. Aber dann hatte er
begriffen. Tatsächlich: Kaum hatte sich die Stoffansammlung, die man
für Seradas bekleideten Rücken halten konnte, genug Angriffsfläche
geboten, färbte sich ein Punkt darauf. Vielleicht reagierte Serada
einen Moment zu langsam. Ihr Schmerzensschrei kam zu spät, um
geglaubt zu werden. Serada und Iwan hörten sich rasch entfernende
Schritte.
„Schade!“ murmelte Serada. Schon
begann sie ihren „Seesack“ ins „Badezimmer“ zu ziehen, den
kleinsten Raum, aber den einzigen der jeweiligen Wohnung, der nur
einen Ein- und Ausgang hatte. In der trügerischen Sicherheit des
freien Rückens zerlegte sie ihr Ziel 1. Nach knapp einer halben
Stunde waren beide satt und Iwan trug einen Lendenschurz, Ellenbogen-
und Knieschützer sowie etwas, was bei großzügiger Bewertung als
Mokkassins durchgehen konnte. „So. Und jetzt versuchen wir, ob wir
an die Austauschziele herankommen.“
Iwan verzog sein Gesicht zu einem
bemühten Lächeln. Seradas Bemerkung konnte Aufmunterung und Drohung
in einem sein ...
***
Bei den "Gedichten des Tages" ist diesmal ein äußerer Anlass das verbindende Element. Ein Offenleger von Geheimnissen, die dich geheim bleiben durften, wurde extrem unmenschlich abgeurteilt und hat daraufhin verkündet, nunmehr als Frau weiterleben zu wollen.
Beim morgendlichen Abarbeiten meines Postfachs stolperte ich über Petra Namyslos Gedicht "Für Chelsea Manning". Erst einmal reagierte ich nur mit einem unwissend verwunderten "Hä?!" Ich hatte die Nachricht, dass der Offenleger Bradley Manning nach dem über ihn gesprochenen Schandurteil (Mörder der gemeinen Art rechnen in Deutschland mit der halben Strafzeit ... höchstens) sich dafür entschieden hatte, nun als Frau zu leben, als die er sich fühlt, noch gar nicht mitbekommen. Petra jedoch hatte schon ein Gedicht draus gemacht. Es blieb mir nur übrig, ein ergänzendes Gedicht "Chelsea werden dürfen" zu fabrizieren und ein Senryu, das ich allerdings für gelungen halte ...
Bei den "Gedichten des Tages" droht Einseitigkeit:
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