Freitag, 9. September 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1142

Wir beginnen wie in den vergangenen Tagen mit dem SF-Fortsetzungs-Groschenroman, mit der inzwischen  31. Fortsetzung der Rohfassung von Anna Roths "Das Bienenprojekt" - wieder mit einer Doppelseite:


Ich schickte die drei einfach zurück und machte mich sofort an meine Ausarbeitung.
Am nächsten Morgen trafen wir uns am Computer. Jeder bekam seinen Text und seine Regieanweisungen dazu, wir prüften den Sitz der Enzos und ich eröffnete das Gespräch. Nun hing alles davon ab, ob unsere Hirnströme exakt an den Computer übertragen wurden und nachher mit dem zeitlichen Ablauf unseres Theaterstücks abgeglichen werden konnten. Als Dramatiker hätte ich mir mit den Satzkombinationen einen Platz in eine geschlossenen Anstalt gesichert. Völlig wirr folgten Satzgefüge über private Beziehungen, über die Arbeit im Allgemeinen, über die Bienen und unsere Arbeit mit den Bienen, Sätze mit Begeisterungsausrufen, Freude und betonter Depression, Trauer, Verzweiflung und Wut aufeinander. Meine drei Mitspieler und -läufer lasen das Zeug zum erste Mal und durften eigentlich außerstande sein, die entsprechende Gefühle tatsächlich zu haben.
Ich gebe zu, es machte nicht nur mir einen Riesenspaß. Wer stünde nicht gern einmal auf einer Bühne als Romeo, der erhört wird?
Ich hatte entschieden, mich wenigstens teilweise zu outen. Begeistert saßen wir deshalb nachher zusammen vor dem Computer. Ich, in der Mitte, versuchte, die Zeitreihen der vier Beteiligten zu harmonisieren und mit dem Textprogramm abzustimmen. Wir waren wie die Kinder. Wäre jetzt jemand in den Raum gekommen, wir hätten ihn nicht bemerkt.
Am Abend hatten wir ein vorläufiges, ein unwissenschaftliches Ergebnis.
Unwissenschaftlich zumindest insoweit, als die Korrelationen nicht mathematisch erfasst waren, ein Ergebnis insoweit, als alle überzeugt waren, dass es sogar mehrere Zusammenhänge gab.
Egal welche, aber alle Emotionen schienen in der Nähe der Bienen stärker ausgeprägt. Positive Gefühle schienen am meisten verstärkt. Bei allen Erwähnungen der Bienen behaupteten die Anzeigen starke positive Gefühle (wofür es keinen sachlichen Grund im Text gab). Stellen, an denen die Bienen positiv bewertet wurden, wurden als starkes Glücksgefühl angezeigt, jene Passage aber, an der Paul vorgeschlagen hatte, die Tiere einfach frei zu lassen, führte zu einem Ausschlag nach oben außerhalb der Toleranz. Diese Stelle war auch die, die jeden wissenschaftlichen Zweifel verdrängte: Das konnte nur von den Bienen gekommen sein, das waren nicht wir gewesen.
Wenn wir also von den Bienen stimuliert wurden, bedeutete das mindestens zweierlei:
Die Bienen verstanden uns – und sei es nur teilweise – und sie verfügten über einen Mechanismus, mit dem sie auf unser Gehirn einwirken konnten.
Das bedeutete aber auch, dass alle Forschungsergebnisse von den Bienen nach Gutdünken beeinflusst werden konnten, wir also nur herausfanden, was sie uns erlaubten.
Und damit war ich an einem Punkt, wo es mir kalt über den Rücken lief: Zum einen wurden wir außer vielleicht durch die CIA auch noch durch die Bienen überwacht, zum anderen ergab sich plötzlich eine fürchterliche Erklärung für die drei Todesfälle bzw. das Verschwinden oder merkwürdige Verhalten der drei Computerspezialisten.

Mit dem Thema 11. September beschäftigen sich zwei der Gedichte des Tages:   Für Victor Jara, 1973  von mir 2008 erstmals eingestellt und Hanna Fleiß  Elfter September
Die Weiterentwicklung eines bekannten Motivs ist  "Gummizelle

Bleibt nur noch das Neue:



Briefumschläge
die auf Mails hinweisen
doch warum
fühle ich mich so stumm?

Home sweet home
der Anfang von allem
oder zumindest
einer Website
doch warum
fühle ich mich nicht zuhause?

Der freundliche Updater von nebenan
schaut auf eine Tasse Tee vorbei
und um mein System
auf den neusten Stand zu bringen
doch warum
fühle ich mich so veraltet?

Ein Paypal-Button unter allem
doch warum
fühle ich mich so verkauft?

In einer Welt
die nur aus Symbolen besteht
wirst du
eine Nummer sein
00 oder 01
irgendwann
musst du dich
für eine Seite entscheiden.

Was mag ein Archäologe
einmal über uns denken
wenn er
unsere Cyberschriften
zu entschlüsseln versucht
wie die Keilschriften
der alten Sumerer
wird er verstehen
dass wir es
nicht besser wussten?  

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