Mittwoch, 13. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1651

Diesmal gibt Thomas Reich einem Gefühl Wortgestalt, was die meisten von uns alltäglich gehezt ähnlich empfinden - ich hätte allerdings eher gesagt, dass mich das Leben wie eine "Zitrone" ausquetscht ... aber das hätte wohl zu profan geklungen. Dafür habe ich mit  "oouuaaiiee (2)" etwas verzapft, das bestimmt nicht profan klingt ... und nun weiß ich nicht, ob ich es gut finden soll ...





Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (8)


Also auf ein Mädchen aufzupassen ist ja für einen Jungen eine schwierige und gelegentlich unlösbare Aufgabe. Das Schlimme im konkreten Fall war, dass ich sogar schuld an der Katastrophe war ...
Also im Anschluss an die Chemiestunde versuchte ich für Mahay den Inhalt der Stunde mit eigenen Worten zusammenzufassen. So hatte es der Trainer mir empfohlen und Mahay fand die Idee gut, wenn wir die Zeit haben sollten. Die folgende Stunde war Sport und Mahay würde sich bei ihrem lockeren Kleid schneller umziehen als alle anderen.
Nun war es unerwünscht, die durchgeschwitzten Sportanzüge mit heim zu nehmen. Die landeten normalerweise nach der Stunde gleich in der Waschmaschine der Schule und lagen nach Größe sortiert im Umkleideraum bereit. Darauf hatte ich Trottel Mahay nicht hingewiesen, richtiger: Ich hatte nicht dran gedacht. Wir beide waren die letzten auf der Treppe, die anderen waren schon in der Halle. Ich zog mich allein im Jungenraum um, Mahay im Mädchenraum aus …
Als ich in der Tür zur Turnhalle stand, war es zu spät. Mich überschwappte ein Gemisch aus Ohren betäubendem Gelächter, boshaften und entsetzten Rufen. Etwa drei Meter vor mir, schräg gesehen, vor dem Ausgang des Umkleideraums der Mädchen stand Mahay und war nackt. Als ich sie sah, war mir der Zusammenhang sofort klar. Es konnte einfach nur so sein, dass die Maniani ihren Sport nackt trieben. Das erklärte auch die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich vor mir ausgezogen hatte. Bei uns aber …
Also ich sah Bilder dessen, was gerade abgelaufen sein musste, in einer Geschwindigkeit vor meinem inneren Auge ablaufen, dass ich sie nur um vieles langsamer aufschreiben kann. Die Umkleidekabinen und Duschen waren für Jungen und Mädchen getrennte Durchgangsräume mit Zugang vom Treppenhaus der Schule und Ausgang zur Turnhalle, wo dann alle wieder zusammentrafen. Offenbar waren die anderen Mädchen schon raus in die Halle, als Mahay durch die Tür vom Schulhaus gekommen war. Sie hatte gar nicht sehen können, dass sich jedes Mädchen einen Dress in der eigenen Größe gegriffen und übergestreift hatte. Sie hatte höchstens bemerkt, dass vorher niemand Sportzeug dabei gehabt hatte. Das musste ohne Frage für sie bedeuten, dass es keines gab ...
Entweder begriff Mahay ihre Situation nicht oder sie hatte gerade ihre Reaktionsfähigkeit eingebüßt. Anstatt wenigstens zurück in die Umkleidekabine zu laufen, stand sie, scheinbar überlegend, da.
Rozy war der erste, der mehr tat als lachen. Er hockte sich auf alle Viere und stieß unartikulierte Laute aus. Das Gelächter war voll auf seiner Seite. Ich sprang vor Mahay, drängte sie in den Raum zurück, warf hinter uns die Mädchenumkleidetür zu. Es blieb noch laut draußen. Was sollte ich tun?
„Schiet druff! Zieh dich wieder an! Wir gehen hoch. Läuft der Sport eben ohne uns.“ Mahay schien anfangs widersprechen zu wollen. Dann aber griff sie nach ihrem weißen Hüftschmuck. Ihr schien nach Heulen zu sein. Und ich Feigling? So öffentlich in der Mädchenumkleide wagte ich nicht, sie einfach in die Arme zu nehmen, obwohl Mutter das doch immer gesagt hatte: Wenn du jemandem helfen möchtest und weißt nicht wie, dann nimm ihn fest in die Arme. Das kann nicht falsch sein und gibt Kraft. Verdammt. Ich spürte doch, dass Mahay eine Stärkung von mir brauchte. Es war doch mein Fehler: Ich hatte gesagt, mach einfach alles, was die anderen machen – und dann sorgte ich dafür, dass keine anderen da waren, an denen sie sich hätte orientieren können …



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