Dienstag, 3. Juli 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1441

Ein kleiner Blick nur in die "Gedichte des Tages", die uns erwarten, dann geht es mit der Fortsetzung des utopischen Romanprojekts weiter:


Das Schlimmste, was mir unterlaufen ist, heißt "Linguismus". Dem normalen Betrachter ist es wahrscheinlich ein unlösbares Rätsel, vortragen lässt es sich wie eines der berühmtesten Morgenstern-Gedichte ... aber es hat tatsächlich eine extrem tief verborgene Botschaft ..
Ein Spiel, das Kunst immer machen kann und sollte, ist das Was-wäre-wenn. Da kommt man dann auf die Frage, wie das eigentlich ist mit der Wahrheit. Da sind gleich drei Absurditäten entstanden:





Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (104)



... Die Länge einer gewöhnlichen Saks-Schwangerschaft setzte ich nach allen mir zugänglichen Daten mit 180 der einheimischen Tage an. Ich hatte mich schon zu Beginn der „Tragzeit“ mit den Mitteln einer technisch gestützten Entbindung beschäftigt. Weder traute ich irgendwelchen einheimischen Geburtshelferinnen im Prinzip noch erwartete ich eine normale Entbindung. Tschamita war 147 Zentimeter groß, wog 35 Kilogramm und ich maß 185 Zentimeter und brachte dazu durchtrainierte 85 Kilogramm auf die Waage. Von denkbaren Komplikationen unserer besonderen Beziehung ganz abgesehen. Ich erzähl dir das nur, damit du verstehst, dass in meinem Denken das Wort Komplikationen und schwierige Geburt eine bestimmende Rolle spielte.
Mit einem aber rechnete ich nicht: Nach meiner Statistik war es erst genau der 89. Tag von Tschamis Schwangerschaft. Meine kleine Herrin konnte inzwischen den anderen Mädchen eitel vorführen, dass sie eine Kaschara war. In unserer Beziehung war dagegen eine gewisse Routine eingetreten. Es passierte einfach nichts Besonderes. So fiel es mir nicht sonderlich auf, dass ich sie an dem ganzen Tag nicht sah. Erst abends vermisste ich sie ernsthaft.
  Gerade das In-Träume-Schicken der anderen Mädchen ließ sie sich doch sonst nicht entgehen – und sei es aus uneingestandener Eifersucht, dass ich so viele ihrer Kameradinnen intim berührte, sei es aus erwähnter Eitelkeit, weil sie bei dieser Gelegenheit mit ihrer körperlichen Entwicklung posieren konnte. Ich absolvierte die Zeremonie so unkonzentriert wie noch nie zuvor. Schließlich trat Sanja zu mir und forderte mich auf, abzubrechen. Besser, wir suchten erst einmal unsere Kaschara.

Ich mach's kurz. In der Burg fanden wir niemanden. Mit Taschenlampen herumfuchtelnd und rufend irrten wir über den Hof und an der Mauer entlang. Irgendwann mussten wir abbrechen. Am nächsten Morgen suchten wir gründlich überall und fanden sie zwischen Büschen im Burggarten. Sie hatte die Haltung eines Embryos und war erstarrt.
Ich bin ein sachlicher Mensch. Irgendwie war da durchaus der Gedanke, ich müsste genau untersuchen, warum eigentlich was passiert war, ja, was denn überhaupt passiert war. Es war eindeutig keine Frühgeburt. Aber vielleicht doch? Vielleicht gab es uralte Traditionen, sich bei sich andeutenden Wehen zu verbergen? Ich hatte nicht die Kraft, mich an ihr als Pathologe zu vergreifen. Ob sie mir eben einfach auftretende Schmerzen nicht hatte zeigen wollen, mir also nicht vertraut hatte, oder ob ihr etwas Plötzliches passiert war, ich habe es nie erfahren.
Ich belebte frühe menschliche Traditionen. Einen Sarg. Das Versenken des Sarges mit dem Körper darin. Eine Erinnerung darauf. Sanja machte den Vorschlag, die Edle Krausula in Namensform auf das Erinnerungsbeet zu säen.
Vielleicht wäre mit Tschamita vieles anders geworden. Ich vor allem. Aber wir verstecken uns einfach zu gern hinter dem „was-wäre-wenn“, denn damit sind wir an nichts mehr selbst schuld. ...

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