Zumindest als Startpunkt für einen kreativen Streit ist Thomas Reichimmer gut. Das Glattschleif-Sandpapier der erwarteten öffentlichen Meinung hat ihn noch nicht stromlinienförmig entsinnt. Bei "Widerstand" spürt man deshalb allerdings noch die Kanten des Urgerüstes: Nachdem er sich selbst in die Rolles des gequälten Helden zeigt, erschreckt er mitten im Text und spricht den Leser an, genauer: dessen Empathie. Die Gesamtidee ist es wert, weiter verfolgt zu werden ...
Durch Zufall kam mir ein youtube-Video vor Augen und Ohren, das das Jahr 1972 zum Gegenstand hatte. Ein deutsches, antiamerikanisches, aber eines mit Schwerpunkt Kim Phuc, jenem neunjährigen vietnamesischen Mädchen und dem Offizier, der den Napalm-Angriff auf dieses zivilistenfreie Ziel angeordnet hatte (Oberst Klein lässt grüßen). 40 Jahre danach. Das Gedicht "Vergebliche Hoffnung, Kim Phuc" ist die unmittelbare Reaktion darauf, der Link zum Video ist darunter ...
Slov ant Gali / Gunda Jaron:
Ich wurde Gott (135)
... Morgens
begrüßte die Soldaten draußen Musik und dann eine
Lautsprecheransage. Wieder die Aufforderung, Geduld zu haben.
Dabei
war diese Aufforderung selbst für mich und meine Städter schwer
einzuhalten. Natürlich konnten wir nicht sagen, wie viele der
Soldaten draußen im Schutz der Nacht geflohen waren. Natürlich wäre
es das einfachste Variante gewesen, selbst wenn sich ein Großteil
von ihnen zu marodierenden Räuberbanden zusammengeschlossen hätte –
weil ihnen die Heimkehr nicht möglich war.
Wenigstens
das Wetter meinte es gut mit uns. Es waren erträgliche, trockene
Herbsttage. Aber etwa 30000 Männer auf einem Haufen im wahrsten
Sinne des Wortes, wie lange sollte das gut gehen? Ich forderte sie
also auf, auf die Nebenleute zu achten. Sollte es zwischen ihnen noch
Tote und Waffen geben, so wären diese sofort zu dem Berg zu
schaffen. Sofern diese Aufgabe erledigt wäre, würde die nächste
Versorgung erfolgen.
Dies
war die letzte unmittelbare Gefahrensituation. Auf jeden Fall lagen
zwischen den Männern noch mehr als tausend Schwerter und Schilde
offen herum. Das wäre der Neuanfang einer eigenen Bewaffnung
gewesen. Aber ich musste sie extrem beeindruckt haben. Manche hielten
die Schwerter, die sie zum Haufen trugen, demonstrativ wie eine Last,
um nicht von einem strafenden Todesstrahl getroffen zu werden.
Diesmal
hieß es für sie Schlangestehen am Tor. Das hatte ich öffnen lassen
und es wurden Wurstsemmeln ausgegeben. Fünfzigtausend Stück.
Diesmal war vom Feld aus nicht zu erkennen, wie viele in Reserve
standen, wer alles mitwirkte und was überhaupt auf meiner Stadtseite
vor sich ging. Es war eine große Ausgabestelle, an der man lange zu
warten hatte, und zu der die Hungrigen drängten.
Mehrmals
musste der Lautsprecher den Andrang bremsen, darauf hinweisen, dass
für jeden genug Essen vorhanden sei.
Das
Wetter blieb beständig. Wäre es nur wenige Grade kälter gewesen
oder hätte es gar geregnet, so hätte ich die Massen da draußen
nicht in der offenen Landschaft lassen können. Aber lange war das
auch so nicht zumutbar. Und ich musste herausbekommen, warum die
Soldaten nicht einfach heimwärts zogen. Dafür aber gab es nur eine
Möglichkeit. Ich musste so schnell es ging so viele Soldaten direkt
befragen wie möglich.
Immerhin
boten mir die Monitore die Chance, das Geschehen auf dem gesamten
ehemaligen Schlachtfeld zu überwachen. Ich war dabei nicht allein.
Zwei Robbis achteten darauf, ob sich einige Belagerer wieder zu
bewaffnen versuchten. Kompliziert wäre es nicht gewesen. Es gab aber
keine Versuche.
Ich
konzentrierte mich auf Anderes. Schon früh war mir die
unterschiedliche Uniformierung aufgefallen. Die war allein mit
Waffengattung oder Rangordnung nicht erklärbar. Fest stand, dass
unterschiedlich Gekleidete jeweils eigene Gruppen bildeten, streng
unter sich blieben und einander sogar misstrauisch beäugten ...
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