Montag, 6. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1475

Es geht wieder wie gewohnt weiter. Das heißt im Moment, zuerst einmal ein Blick auf die morgigen "Gedichte des Tages" und dann die Fortsetzung des utopischen Romanmanuskripts:


Zumindest als Startpunkt für einen kreativen Streit ist Thomas Reichimmer gut. Das Glattschleif-Sandpapier der erwarteten öffentlichen Meinung hat ihn noch nicht stromlinienförmig entsinnt. Bei "Widerstand" spürt man deshalb allerdings noch die Kanten des Urgerüstes: Nachdem er sich selbst in die Rolles des gequälten Helden zeigt, erschreckt er mitten im Text und spricht den Leser an, genauer: dessen Empathie. Die Gesamtidee ist es wert, weiter verfolgt zu werden ... 
Durch Zufall kam mir ein youtube-Video vor Augen und Ohren, das das Jahr 1972 zum Gegenstand hatte. Ein deutsches, antiamerikanisches, aber eines mit Schwerpunkt Kim Phuc, jenem neunjährigen vietnamesischen Mädchen und dem Offizier, der den Napalm-Angriff auf dieses zivilistenfreie Ziel angeordnet hatte (Oberst Klein lässt grüßen). 40 Jahre danach. Das Gedicht "Vergebliche Hoffnung, Kim Phuc" ist die unmittelbare Reaktion darauf, der Link zum Video ist darunter ... 

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (135)


... Morgens begrüßte die Soldaten draußen Musik und dann eine Lautsprecheransage. Wieder die Aufforderung, Geduld zu haben.
Dabei war diese Aufforderung selbst für mich und meine Städter schwer einzuhalten. Natürlich konnten wir nicht sagen, wie viele der Soldaten draußen im Schutz der Nacht geflohen waren. Natürlich wäre es das einfachste Variante gewesen, selbst wenn sich ein Großteil von ihnen zu marodierenden Räuberbanden zusammengeschlossen hätte – weil ihnen die Heimkehr nicht möglich war.
Wenigstens das Wetter meinte es gut mit uns. Es waren erträgliche, trockene Herbsttage. Aber etwa 30000 Männer auf einem Haufen im wahrsten Sinne des Wortes, wie lange sollte das gut gehen? Ich forderte sie also auf, auf die Nebenleute zu achten. Sollte es zwischen ihnen noch Tote und Waffen geben, so wären diese sofort zu dem Berg zu schaffen. Sofern diese Aufgabe erledigt wäre, würde die nächste Versorgung erfolgen.
Dies war die letzte unmittelbare Gefahrensituation. Auf jeden Fall lagen zwischen den Männern noch mehr als tausend Schwerter und Schilde offen herum. Das wäre der Neuanfang einer eigenen Bewaffnung gewesen. Aber ich musste sie extrem beeindruckt haben. Manche hielten die Schwerter, die sie zum Haufen trugen, demonstrativ wie eine Last, um nicht von einem strafenden Todesstrahl getroffen zu werden.

Diesmal hieß es für sie Schlangestehen am Tor. Das hatte ich öffnen lassen und es wurden Wurstsemmeln ausgegeben. Fünfzigtausend Stück. Diesmal war vom Feld aus nicht zu erkennen, wie viele in Reserve standen, wer alles mitwirkte und was überhaupt auf meiner Stadtseite vor sich ging. Es war eine große Ausgabestelle, an der man lange zu warten hatte, und zu der die Hungrigen drängten.

Mehrmals musste der Lautsprecher den Andrang bremsen, darauf hinweisen, dass für jeden genug Essen vorhanden sei.
Das Wetter blieb beständig. Wäre es nur wenige Grade kälter gewesen oder hätte es gar geregnet, so hätte ich die Massen da draußen nicht in der offenen Landschaft lassen können. Aber lange war das auch so nicht zumutbar. Und ich musste herausbekommen, warum die Soldaten nicht einfach heimwärts zogen. Dafür aber gab es nur eine Möglichkeit. Ich musste so schnell es ging so viele Soldaten direkt befragen wie möglich.
Immerhin boten mir die Monitore die Chance, das Geschehen auf dem gesamten ehemaligen Schlachtfeld zu überwachen. Ich war dabei nicht allein. Zwei Robbis achteten darauf, ob sich einige Belagerer wieder zu bewaffnen versuchten. Kompliziert wäre es nicht gewesen. Es gab aber keine Versuche.
Ich konzentrierte mich auf Anderes. Schon früh war mir die unterschiedliche Uniformierung aufgefallen. Die war allein mit Waffengattung oder Rangordnung nicht erklärbar. Fest stand, dass unterschiedlich Gekleidete jeweils eigene Gruppen bildeten, streng unter sich blieben und einander sogar misstrauisch beäugten ...




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