Diesmal jedenfalls ist alles "klassisch": Start mit den morgigen "Gedichten des Tages" und dann eine weitere SF-Projekt-Fortsetzung:
Für Liebesgedichte bin ich sicher nicht Spezialist. Gunda Jaron hat da auch ihre Eigenart: Es guckt meist ein alles wieder kippendes Aber um die letzte Ecke. Ob das auch in der "Luftpost" steckt?
Slov ant Gali / Gunda Jaron:
Ich wurde Gott (155)
Immer
wieder beschäftigte mich der Gedanke dieses 300 zu 3000. Zumindest
für die Saks, die sich direkt unter den Schutz meiner Stadtmauern
gestellt hatten, traf das Verhältnis zu. Dunkel erinnerte ich mich
an eines meiner Geschichtsbücher zur älteren Menschheitsgeschichte.
Waren nicht die Zeiten nach Kriegen jene mit einem besonderen Schub
in der Gleichberechtigung gewesen? Weil aus reiner Not heraus die
Frauen auch Männerarbeiten erledigen mussten? Praktisch war das bei
meinem Volk mit einer interessanten Zusatzaufgabe verbunden: Die
Männeraufgabe bei den Bauern hier hieß überwiegend Feldarbeit.
Wenn die von Frauen erledigt würde, wer kümmerte sich dann um die
bisherige Frauenarbeit, besonders also um die Kinder? Ohne mein
Eingreifen wären die wahrscheinlich überwiegend sich selbst
überlassen gewesen. Nach dem Motto „So geht es ja auch“. Aber so
hatte ich ein gutes Argument, an die winterliche Stadtschulpflicht
ein Sommerschulprogramm anzuhängen. Das wäre zwar nicht Schule im
engen Unterrichtssinn, aber im Sinn des in meiner Jugendzeit
praktizierten Learning by Playing. Einige besonders abstrakte Fächer
waren noch verzichtbar. Aber die Großen würden
es trotzdem schwer haben. Sie alle mussten sich darauf einstellen,
als Lehrer oder meinetwegen „lehrende Aufsichtspersonen“
eingesetzt zu werden. Ganz nebenbei mussten sie das notwendige Wissen
erwerben und die Fähigkeiten, es angemessen weiterzugeben. Insgesamt
ging es um mindestens viertausend Kinder. Dass sie in diesem Prozess
alle Hauptrollen haben würden, musste ich zuerst meinen schon etwas
vorgebildeten vierzig Mädchen klarmachen. Und
sie sollten sich rechtzeitig Helfer und den Helfern wieder Helfer
suchen. Schließlich verloren Gruppen mit mehr als 12 Kinder ihren
Lernfreudewert – ganz davon abgesehen, dass sie die jungen Erzieher
nicht überblickten.
Mit
einem gut gestreuten Gerücht weckte ich, lange bevor es losging, das
Interesse der Kinder: Die Gruppen, so sprach sich herum, würden alle
eigene Felder haben und anbauen und ernten und sie würden viel
ernten und es würde ein Spiel sein, weil ihnen die Monster helfen
würden.
Und
dann war endlich Frühlingsfest. Höchststimmung. Ich hielt eine
stürmische Rede. Ich fürchte, zwei Drittel dessen, was ich da
gesagt habe, kam inhaltlich nicht richtig rüber, von wegen Frauen,
die jetzt ihren Mann stehen würden, aber die Begeisterung in meiner
Stimme steckte an und die Lautsprecher waren so eingestellt, dass
einfach alle zuhören mussten. Eigentlich konnten mir die wenigen
Männer fast leid tun – an diesem Abend waren sie bis zur
Erschöpfung gefordert.
Am
nächsten Morgen brach die Sonne sehr früh durch den Morgennebel –
wie bestellt. Ein langer Festzug verließ die Stadt. Oder sollte ich
Treck sagen? Die meisten künftigen Siedlungen würden sich erst in
einiger Entfernung vom Stadttor trennen. Im Moment genossen sie die
Ausstattung, die ihnen unbekannterweise meine Replikatoren ermöglicht
hatten. Die Hoffnung, satt über den Sommer zu kommen, überbrückte
die Wehmut, die eigenen Kinder nur als gelegentliche Besucher zu
sehen zu bekommen. ...
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