Mittwoch, 5. September 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1505

Die Gedichte des Tages morgen im Zeichen einer "Randgruppe":


Die Qualität einer Gemeinschaft ist an ihrer Art zu erkennen, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht. Immer steht zuerst die Frage, den Anderen, den weniger stark Angepassten, anzunehmen, Solidarität zu zeigen, gemeinsame Wege zu finden, jedem Menschen ein selbstbestimmtes würdiges Leben zu ermöglichen.
Die hier erstmal vorgestellten Gedichte sollen nicht ein Krankheitsbild zeigen oder medizinisch sein.
In Deutschland gibt es viele Zehntausende Taubblinde. Als eigenes Behinderungsbild werden sie nicht erfasst, juristisch gibt es eine solche Behinderung nicht.


SF-Romane bedienen ja auch irgendwie "Randgruppen":


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (165)





... Zumindest für die Kinder stand eine Premiere bevor: Diesmal konnten sie erstmals die Ergebnisse ihrer Vorjahresarbeit in den Boden einbringen. Sie übergaben sich dazu gegenseitig ihre Beete und Ernten. So wollte ich verhindern, dass sich durch Zufälle Superbauernkinder entwickelten, die dann Macht über andere gewonnen hätten. Ich hoffte im Gegenteil, dass ein Gefühl für eine größere Gemeinschaft reifen könnte. Die unmittelbare Verantwortung wäre zwar auf neue Beete gerichtet, aber zumindest Neugierde auf das, was auf den vorigen entstände und wie sich das eigene Saatgut entwickelte, würde bleiben. Was immer geerntet würde, es könnte als Erfolg einer Gemeinschaft erlebt werden.
An den ersten Tagen kamen wir gut voran. Am liebsten wären die Kinder nachts noch auf den Feldern geblieben, obwohl ich ihnen erklärt hatte, dass die Kamuvögel da garantiert keine Körner wegfräßen.
Aber dann …
Wäre ich doch nur wirklich ein Gott gewesen! Dann hätte ich den Winden einen anderen Weg befohlen. Aber ausgerechnet an jenen Tagen, an denen die Keime die Körner verließen, drehte der Wind und eine trockene Kälte machte sich breit. Temperaturen unter minus 20 Grad zu einer Zeit, wo eher 20 Plusgrade wahrscheinlich waren. Wenn es wenigstens geschneit hätte! Ein Frostspaziergang verriet: Nach zwei Nächten war der Boden steinhart. Ich musste davon ausgehen, dass alles, was schon ein wenig an Pflanze erinnerte, erfroren war.
Später erfuhr ich, dass fast alle intakten Siedlungen in ihren Höhlen geblieben waren. Die Alten hatten das befohlen. Unter ihnen gab es so etwas wie verstärkte Wetterfühligkeit. Eine umfangreiche, über das ganze Land reichende Wetterbeobachtung hätte den Fehler auch verhindert, aber sie existierte eben nicht.
In diesen Wochen ging ein Großteil unserer selbst geschaffenen Vorräte verloren. Nicht bei allen gelang es mir, sie heimlich durch frisch repliziertes Saat- und Pflanzgut zu ersetzen.
Als wir dann endlich – sechs Wochen später als vorgesehen – unsere weithin sichtbar frisch begrünten Felder und Beete bewundern konnten, geschah das nächste Unglück. Kutisi! Mir schien der Name Wanderschrecken einleuchtend. Es waren seltsame Wesen. In der Biologie meiner Erde hätten sie wohl keinen Platz gehabt. Sie bestanden aus einem unverhältnismäßig großen Kopf mit einem Geweih darauf, einem Käferleib, sechs Beinchen und angedeuteten Flügeln. Diese Flügelchen reichten für eigene Flüge kaum aus und die einzelnen handtellergroßen Tierchen wären bedauernswert und niedlich gewesen. Aber die Kutisi traten in großen Schwärmen auf. Am meisten half ihnen der Wind bei der Fortbewegung über weite Strecken. Sie waren Allesfresser und vermehrten sich in einer jeder Fressorgie folgenden Starrezeit. ...

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