Montag, 17. September 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1517

Was kann man aus "Stopfgänsen" lyrisch machen? Die morgigen "Gedichte des Tages" machen da ein erstes Angebot. Dazu kommt eine weitere Fortsetzung der Vorstellung des Arbeitsstandes beim ersten Teil der Sakur-Saga - fertig ist ein "Standard-Journal" ...

Diesmal ist es Thomas Reich, der ein lyrischen Bild vorgibt. Die "Stopfgans" steht hier wohl dafür, dass "wir" den Hals nicht voll genug bekommen. Pech oder Glück für ihn, dass er mich mit seinem Bild sofort zum Widerspruch herausgefordert hat. Anlauf eins dabei führte zu "keine Stopfgans" ...



Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (177)





... Aber ich war doch nicht irgendein Mensch, hatte mir mitten im Festland, an der Grenze zu einem Gebirge, eine Insel mit Einheimischen geschaffen, die ich tatsächlich nach meinem Bilde formen konnte. Meine Frauen. Meine Mädchen. Meine Kinder.
Natürlich hätte ich mein Robbi-Ich auch abschalten können. Aber dann wäre ein neuer Machtkampf ausgebrochen und in nicht zu ferner Zukunft hätte die nächste Armee meine Insel belagert, die Ernte geplündert, wie auch immer.
Ich blieb also. Und ich schob die Entscheidung in Chrust erst einmal auf. So lange mein Doppel dort herrschte, hätte ich hier Frieden.

Kaum, dass ich versuchte zu schlafen, packte mich der nächste Schreck: Meine ganze Welt hier beruhte auf Robbis und Replikatoren und Überwachungsanlagen, durch die in meiner Stadt und um sie herum kein Kaninchenbock seine Zippe unbeobachtet beschnuppern konnte. Wer würde das erben? Wer würde das wie verwenden? Duan war ein Kind dieser Welt. Ich würde die mir verbleibenden Jahre dafür verwenden müssen, meine Gemeinschaft von den Segnungen einer Kultur von übermorgen unabhängig zu machen. Wenn ich nicht mehr war, durfte auch kein Replikator mehr sein.
Wenn ich nicht mehr war …
Diese für mich bis zu diesem Tag undenkbare Formulierung bestimmte nun mein Denken. Dass ich mit meinen Mädchen älter werden würde. Es war wahrscheinlich, dass die Kinder meiner Gemeinschaft deutlich älter würden als ihre Vorfahren. Dafür sorgten die abwechslungsreiche Nahrung und das sicherere Leben, aber astronomisch wäre der Sprung nicht. Ich konnte darauf hoffen, dass ich noch die mir folgende Generation überleben würde. Sozusagen ein Zipfel Unendlichkeit.
Mehrere Tage schwankte ich in meinen Gedanken zwischen dem Horizont eines Gottes und einer Ameise hin und her. Mehrmals begann ich eine Liste der Dinge, die ich in meinem Restleben noch alle schaffen wollte. Dann verfluchte ich die Menschen meines Raumschiffs, die sich über grundlegende Prinzipien menschlichen Zusammenleben hinweggesetzt hatten. Sie hatten mich einfach verurteilt ohne Chance, meine Individualität zu verteidigen, ohne Chance, in die Gemeinschaft der Menschen zurückzukehren, ohne Chance auf den selbst gewählten Platz. Sie waren ja nicht besser als ich. Dann entschuldigte ich sie: Hier herrschten einfach andere Bedingungen, die alle ethische Vernunft der Erde in Unvernunft verwandelte. Sie hatten Recht. Sie wussten ja nicht um die übermenschlich große Aufgabe, die ich mir gestellt hatte. Wäre ich nicht wirklich irgendwann wegen der eintretenden Routine und der ewigen Trauer, die Partner, an die ich mich gerade gewöhnt hätte, wieder zu verlieren, innerlich geistig verfallen? Wenn das passiert wäre, hätte ich es merken und korrigieren können? Und dann ärgerte ich mich über die Temperatur im Lebensmittellager. Und ich wusste auch warum: Die konnte ich ändern. Meine Liste aber verwarf ich mehrmals pro Tag, ohne voranzukommen. ...



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