Freitag, 7. September 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1507

Worin liegt die Qualität einer Gemeinschaft? Die Frage wurde mit den ersten Lorm-Gedichten angerissen, lyrisch in den Raum gestellt. Sie bleibt präsent:


Vielleicht klingt es absurd: "Blinder Passagier" von Thomas Reich ist ein Gedicht, dem ich widersprechen möchte. Aber ... wahrscheinlich liegt darin seine Stärke: Mitunter ist es besser, den Widerspruch herauszukitzeln, als zu erreichen, dass der Leser nicht, ja, so ist es ... und weitermacht wie bisher ...
Ich mache derweil mit "Lormen (4)" weiter ... in der Hoffnung, dass inzwischen im Gedächtnis ist, worum es geht. Sind wir in der Lage, uns in einen Anderen hineinzufühlen?

Auch beim SF-Fortsetzungsromanprojekt geht es letztlich genau darum. Was macht Macht aus einem Menschen? Bleiben seine ursprünglichen Werte davon unberührt?



Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (167)





... Was wäre geschehen, wenn sie eine normale Siedlung gewesen wären? Die Bauern mit den verbliebenen Feldstücken hätten die Geschädigten vielleicht vorm Verhungern gerettet. Aber die entstandenen Schulden hätten alle folgenden Generationen belastet. Deren Kindern hätten arbeiten müssen, wenn sie eigentlich etwas Neues hätten erlernen sollen. Der Schaden dieses Zufalls hätte noch Hunderte Jahre später ihre Nachkommen in Arme und Reiche, Erfolgreiche und Sich-Mühende geschieden. Wäre denn das richtig? Wäre es nicht besser, wenn die ganze Gemeinschaft die Aufgabe für die Betroffenen mit schulterte?
Und wenn einer nicht so gut arbeitete, sondern lieber Lieder sänge?
Oh, sagte ich, macht für uns das Arbeiten nicht mehr Spaß, wenn der eine für uns singt? Nutzt er uns allen damit nicht mehr, als wenn er lustlos und schwach auf seinem Beet ackert? … So hätten sie das nicht gesehen …

Das Saatgut war im Verhältnis zu seiner irdischen Matrix leicht abgewandelt. Die Keimung wurde nicht mehr durch Veränderung im Magnetfeld der Erde beeinflusst. Das hatte den positiven Nebeneffekt, dass die längeren warmen Jahreszeiten zwei Ernten zuließen – diesmal also eine zeitlich sehr versetzte. Wir fingen auf dem Brachland von vorn an. Nur manchmal störte die extreme Mittagshitze.
Die Kutisi hinterließen übrigens etwas, woran ich zuerst nicht gedacht hatte: Die Vorräte und erhofften Ernten ganzer Siedlungen oder einzelner Mitglieder der Bauerngemeinden waren zerstört worden und so entstanden marodierende Räuberbanden. Um nicht die Bürger meines eigenen Ländchens bekämpfen zu müssen, ließ ich frisches Saatgut verteilen mit dem Hinweis, dass dies noch rechtzeitig vor dem Winter geerntet werden würde. Der Erfolg war nicht ganz durchschlagend. Zumindest bei einem Teil der Entwurzelten hatte sich das Rauben schon verselbstständigt. Es war effektiver als das ununterbrochene Arbeiten auf den Feldern. Letztlich musste ich doch hart durchgreifen. Ein Trupp Robbis mit Hunden machte erfolgreich Jagd auf die Banden … und bald existierte eine Strafkolonie. Ich ließ sie durch Robbis betreiben, hoffte darauf, sie möglichst schnell wieder auflösen zu können. Im Moment zumindest fehlten noch mehr Männer für eine normale Bevölkerungsentwicklung. Und offen gesagt: Ein Jahr nach diesen Ereignissen erwartete ich die auch nicht mehr. Ich ging davon aus, dass allein die Kinder, die ich inzwischen völlig ihren früheren Familien entwöhnt hatte, die Grundlage für die Gemeinschaft der Zukunft würden. Die Erfolge des übernächsten Jahres bestärkten mich in dieser Hoffnung. Der dann folgende Sommer brachte aber den nächsten Knick. Bei meinem Double in Chrust häuften sich die Nachrichten von Göttern, die mit dem Hochzeitsschiff aus dem unendlichen Wasser aufgetaucht waren und sich mit täglich wachsendem Gefolge auf Chrust zu bewegten. Anfangs nahm ich die Sache nicht sonderlich ernst. Hochzeitsschiff klang sehr nach einer der fantasievollen Legenden, die die Saks mit bewundernswerten Ausschmückungen von Generation zu Generation weitergaben. Hätte ich die Hoffnung gehabt, einmal zur Erde zurückzukommen, ich hätte sie begeistert gesammelt, um sie dort erzählen zu können. ...



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