Vielleicht klingt es absurd: "Blinder Passagier" von Thomas Reich ist ein Gedicht, dem ich widersprechen möchte. Aber ... wahrscheinlich liegt darin seine Stärke: Mitunter ist es besser, den Widerspruch herauszukitzeln, als zu erreichen, dass der Leser nicht, ja, so ist es ... und weitermacht wie bisher ...
Ich mache derweil mit "Lormen (4)" weiter ... in der Hoffnung, dass inzwischen im Gedächtnis ist, worum es geht. Sind wir in der Lage, uns in einen Anderen hineinzufühlen?
Auch beim SF-Fortsetzungsromanprojekt geht es letztlich genau darum. Was macht Macht aus einem Menschen? Bleiben seine ursprünglichen Werte davon unberührt?
Slov ant Gali / Gunda Jaron:
Ich wurde Gott (167)
... Was
wäre geschehen, wenn sie eine normale Siedlung gewesen wären? Die
Bauern mit den verbliebenen Feldstücken hätten die Geschädigten
vielleicht vorm Verhungern gerettet. Aber die entstandenen Schulden
hätten alle folgenden Generationen belastet. Deren Kindern hätten
arbeiten müssen, wenn sie eigentlich etwas Neues hätten erlernen
sollen. Der Schaden dieses Zufalls hätte noch Hunderte Jahre später
ihre Nachkommen in Arme und Reiche, Erfolgreiche und Sich-Mühende
geschieden. Wäre denn das richtig? Wäre es nicht besser, wenn die
ganze Gemeinschaft die Aufgabe für die Betroffenen mit schulterte?
…
Und wenn einer nicht so
gut arbeitete, sondern lieber Lieder sänge?
Oh,
sagte ich, macht für uns das Arbeiten nicht mehr Spaß, wenn der
eine für uns singt? Nutzt er uns allen damit nicht mehr, als wenn er
lustlos und schwach auf seinem Beet ackert? … So hätten sie das
nicht gesehen …
Das
Saatgut war im Verhältnis zu seiner irdischen Matrix leicht
abgewandelt. Die Keimung wurde nicht mehr durch Veränderung im
Magnetfeld der Erde beeinflusst. Das hatte den positiven Nebeneffekt,
dass die längeren warmen Jahreszeiten zwei Ernten zuließen –
diesmal also eine zeitlich sehr versetzte. Wir fingen auf dem
Brachland von vorn an. Nur manchmal störte die extreme Mittagshitze.
Die
Kutisi hinterließen übrigens etwas, woran ich zuerst nicht gedacht
hatte: Die Vorräte und erhofften Ernten ganzer Siedlungen oder
einzelner Mitglieder der Bauerngemeinden waren zerstört worden und
so entstanden marodierende Räuberbanden. Um nicht die Bürger meines
eigenen Ländchens bekämpfen zu müssen, ließ ich frisches Saatgut
verteilen mit dem Hinweis, dass dies noch rechtzeitig vor dem Winter
geerntet werden würde. Der Erfolg war nicht ganz durchschlagend.
Zumindest bei einem Teil der Entwurzelten hatte sich das Rauben schon
verselbstständigt. Es war effektiver als das ununterbrochene
Arbeiten auf den Feldern. Letztlich musste ich doch hart
durchgreifen. Ein Trupp Robbis mit Hunden machte erfolgreich Jagd auf
die Banden … und bald existierte eine Strafkolonie. Ich ließ sie
durch Robbis betreiben, hoffte darauf, sie möglichst schnell wieder
auflösen zu können. Im Moment zumindest fehlten noch mehr Männer
für eine normale Bevölkerungsentwicklung. Und offen gesagt: Ein
Jahr nach diesen Ereignissen erwartete ich die auch nicht mehr. Ich
ging davon aus, dass allein die Kinder, die ich inzwischen völlig
ihren früheren Familien entwöhnt hatte, die Grundlage für die
Gemeinschaft der Zukunft würden. Die Erfolge des übernächsten
Jahres bestärkten mich in dieser Hoffnung. Der dann folgende Sommer
brachte aber den nächsten Knick. Bei meinem Double in Chrust häuften
sich die Nachrichten von Göttern, die mit dem Hochzeitsschiff aus
dem unendlichen Wasser aufgetaucht waren und sich mit täglich
wachsendem Gefolge auf Chrust zu bewegten. Anfangs nahm ich die Sache
nicht sonderlich ernst. Hochzeitsschiff klang sehr nach einer der
fantasievollen Legenden, die die Saks mit bewundernswerten
Ausschmückungen von Generation zu Generation weitergaben. Hätte ich
die Hoffnung gehabt, einmal zur Erde zurückzukommen, ich hätte sie
begeistert gesammelt, um sie dort erzählen zu können. ...
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