Samstag, 29. September 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1529

Was ist das dauerhafteste Thema der Lyrik? Logisch: Liebe in all ihren Facetten. Na, diesmal teile ich mir das Thema mit Gunda Jaron. Um die Frucht einer Schla-Liebe wird gerade in der aktuellen Fortsetzung der utopischen Geschichte gekämpft:


Motto des Tages: Wir können nicht loslassen, weil wir so sehr lieben.
Auf Gunda Jarons "Abschied", eine Bahnhofsszene, die sicher schon viele so empfunden haben, antworte ich mit der weiter bearbeiteten Fassung von "Innig" ... Wie hieß noch die Formel? Bis dass der Tod euch scheide? Das kann man auch SO sehen ...

Slov ant Gali: Der lebende See (9)


... Mit der Angst der Verzweiflung rannte ich. Erst einmal nur, um aus dem Blickfeld der Schla zu kommen, dann mit der Angst, die ersten Schla könnten von der zurückliegenden Hügelspitze aus auf die Idee kommen, dass ich mich nicht genug beeilte. Schließlich, weil ich nichts anderes wusste als weiterzurennen. Zweimal prüfte ich den Inhalt des Bündels. Das Baby war noch nicht tot.
Wie viele Kilometer der Weg lang war? Ich bekam genauso wenig eine Vorstellung davon wie bei dem Zug, in dem ich hatte untertauchen können. Als ich dann endlich über die letzte Hügelkette hinweg war und den See sah, packte mich plötzlich eine maßlose Verzweiflung. Was hatte ich gerade Unsinniges getan? Mein Schicksal war so oder so besiegelt. Wieder prüfte ich den Zustand des Babys. Noch immer nicht tot. Aber … musste dieses Würmchen als erste und wahrscheinlich einzige Lebensäußerung diesen Brei in die Matte abgeben? Scheiße?! So konnte es doch nicht bleiben!
Ich atmete tief durch. Beinahe böse grinste ich dieses feindliche Wasserloch an. Nun würde es doch noch eine Rolle spielen. Das Flechtwerk, in das das Baby eingewickelt gewesen war, schmiss ich achtlos zur Seite. Vorsichtig näherte ich mich dem stillen Gewässer. Ich tauchte den unteren Teil des Babykörpers ins Wasser und meine beschmierte Hand. Etwas auf und ab, reiben, drehen. Also, wenn ich es richtig sah, wäre das ein Schla-Mädchen geworden. Noch einmal … Verdammt!
Gerade noch bekam ich auch mit der Hand, die ich mitgewaschen hatte, die Ärmchen des Würmchens zu fassen. Doch der Zug wurde immer kräftiger. Ich kam mir vor wie ein Angler, bei dem ein Megamonsterriesenfisch angebissen hatte, die Rute bog sich, der Angler stemmt sich, kommt ins Rutschen, will noch immer nicht loslassen …
Um Widerstand zu leisten, hätte ich mich irgendwo abstützen oder festhalten können müssen. So aber waren auch die Ärmchen unter Wasser und ich rutschte vom Ufer weg, versank im Schlick. Nun war kein Stückchen Babyhaut mehr über Wasser. Ach, hatte ich schon erwähnt, dass man kaum zentimetertief unter Wasser sehen konnte? Nur nicht loslassen! Aber ich fand keinen Halt.
Irgendwas habe ich geschrien. Seewasser kam mir in den Mund, durch die Nase in den Rachen, in die Augen …
Ich habe den Augenblick verpasst, als die Kraft nachließ. Also nicht meine Kraft, sondern die Kraft des Soges. Allmählich merkte ich, dass ich zum Ufer schwamm, das Baby als Siegerbeute auf einer Hand hochgestreckt aus dem Wasser. So wenige Bewegungen und solch eine Erschöpfung! Plötzlich begann das Baby zu schreien. Es brüllte. Ich konnte mich nicht aufrichten, versuchte mich daran zu erinnern, ob ich einen Film gesehen hatte, wie man in so einem Moment ein Baby hält. Und dann hustete es und spuckte Wasser und brüllte und gab endlich ein Geräusch von sich, das so zärtlich Bäuerchen genannt wird und das mir so laut vorkam, als sei das Würmchen größer als ich … und dann war es still. Ich hielt ein Ohr an die winzige Brust. Es atmete. Ganz ruhig. Schlief. Ein ansteckender Schlaf ...


  

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