Montag, 24. September 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1524

Oh, wie gut, dass niemand weiß ...?!
Na, man weiß doch, dass "normalerweise" jetzt zuerst die "Gedichte des Tages" vom Folgetag "folgen" und dann eine Fortsetzungsprosa ... und da eine Erzählung begonnen wurde, wird die wohl weitergehen. Es liegt also alles im grünen Bereich:


Woher kommt nur dieses böse Grinsen, wenn sich mir die Frage in die Tastatur mogelt, ob da Thomas Reich mit seiner "Marion" eine konkrete Person gemeint haben könnte? Eigentlich ist es doch egal. Es geht um eine bestimmte Geisteshaltung, die wohl auch "bekannt vorkommt" ...
Es gibt Lyrik-Freaks, denen Gedichte wie "zerbrechlich" gefallen, nicht nur, aber auch, weil sie Interpretationsspielraum lassen. Aber sind es mehr als wenige? Achtung: Es ist ein Liebesgedicht ...

Slov ant Gali: Der lebende See (4)


... Nun waren die Schla zwar nicht die absolute Krönung der Evolution. Eigentlich hinkten sie mindestens Jahrtausende hinter der menschlichen Entwicklung her. Aber dafür, dass sie sich nicht im Kampf ums Lebensrecht hatten anpassen müssen, war ihre relative Intelligenz eine unerklärliche Verschwendung der Natur. Noch dazu, wenn es wirklich nur diese kleine Gemeinde geben sollte.
Ich lernte von Wroohn fleißig die Schla-Sprache, obwohl das Mädchen mich darin nur widerwillig unterrichtete. Sie sagte mir ganz offen, dass ich mich dann ja ohne sie mit anderen aus der Siedlung unterhielte. Wenn ich sie nicht mehr brauchte, würde ich sie nicht mehr wollen. Wollte ich das denn?
In der Argumentation meiner Wroohn schimmerte ein Problem durch: Wenn wir länger eng zusammenleben würden, gäbe es unweigerlich das Problem, dass sie eine Frau und ich ein Mann war und das hieß, dass einer wollen würde, dass wir miteinander täten, was Männer und Frauen, die so eng miteinander sind, eben miteinander tun.
Ich weiß nicht mehr wie, aber bestimmt sehr vorsichtig sprach ich das Thema an und Wroohn schien erleichtert, nun offen mit mir darüber reden zu können.
„Wenn wir miteinander zärtlich sind, dann aber so, dass ich nicht an einem Baby tragen muss. Es würde mich zerreißen. Bei so vielen holt sich der See die Frucht der Schmerzen zurück. Wir sind so gute Freunde. Lass mich lieber weiter an dir spielen, wenn du das jeden Tag brauchst.“
Damit schien für sie die Sache klar. Ich gebe zu, damals verstand ich nur „gute Freunde“ und fand es beruhigend. Über mehr dachte ich nicht nach, denn mich hatte ein Gedanke gepackt, über den ich zumindest im Moment mit niemandem reden konnte: Für die Existenz der Schla-Gemeinde auf diesem Planeten gab es, wenn ich die bekannten Gesetze der Evolution als Maß anlegte, eigentlich nur eine Erklärung: Die Schla stammten nicht von hier. Allerdings verunsicherte mich etwas Anderes: Wenn sie aus einer anderen Welt stammten, dann musste diese andere Welt ja seinerzeit Raumfahrt betrieben haben. Hatten sich die Schla selbst so weit zurückentwickelt? Oder waren ihre Vorfahren eine eigene Gruppe mit einem niedrigen Niveau, die die höhere Zivilisation zum eigenen Schutz zur ungestörten Entwicklung in diese Idylle verbracht hatte? Aber das wäre unverantwortlich gewesen bei einer so kleinen Gruppe. Konnte ich mir die Antwort von den Schla selbst holen? Auf Umwegen? Jede junge Zivilisation hatte ihre Mythen, ihre alten Geschichten. So verworren sie meist waren, … oft fand sich darin der Schlüssel in eine ferne Vergangenheit. Ich musste die Mythen der Schla kennen lernen. Wenn ich von anderen Menschen aus dieser Robinsonade befreit werden würde, hätte ich zumindest den Ansatz für systematischere Forschungen geliefert.
Als ich Wroohn fragte, erlebte ich ein Desaster.
„Was die Alten erzählen, wo wir herkommen? Na, aus dem See des Lebens. Wir sind seine Kinder und er wird uns wieder zurücknehmen, wenn wir nicht mehr gut genug sind, ihm Auge, Hand und Ohr zu sein auf dem Land, wo es nur einmal regnet am Tag.“
Das mit dem Regen war nicht mythologisch. Das hatte ich selbst beobachtet.
Aber dann ergänzte Wroohn: „Du hast deine Kraft, dein Leben, deine Schönheit ja auch aus dem See. Er hat dich mir gegeben und ich bin sehr dankbar für eine so große Gabe.“
Ich hätte fast geheult. Von meiner Schönheit hatte Wroohn gesprochen. Auf der Erde sagte man, Liebe macht blind. Da musste mich dieses Mädchen also sehr lieben. So ganz leicht hätte ich es noch immer nicht über mich gebracht, Wroohni schön zu nennen, aber wenn ich ihr übers Gesicht strich, war ich meiner Männlichkeit sehr dankbar, dass sie für mich sprach.
Andererseits bekräftigte Wroohn meine These. Ich war ja sozusagen von oben gekommen. Meinetwegen aus dem See des Lebens, aus dem der Regen kommt. Ja, ich war damals geneigt, „See des Lebens“ als bildhaften Ausdruck für den Himmel aufzufassen, aus dem die Vorfahren der Schla gekommen sein könnten, nur damit meine Hypothese passte! ...





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