Montag, 6. Februar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1291

Ach ja, die Gedichte des Tages" ...
Es sind übermorgen wieder nur zwei ... aber was für welche ...


Also ich mag die Kälte ja überhaupt nicht. Aber wo wir sie nunmal schon da haben, da sollten wir etwas mit ihr oder bei ihr anstellen ... und wenn es ein Spaziergang ist, mit dem man sich den "Wintertag am Strand" verschönt, wie dies Ursula Gressmann nicht nur mit Worten malt.
Damit ist der Blick auf die Vielfalt der Gedicht-Gegenstände wieder geweitet, dann kann ganz etwas Anderes folgen. Kunst kann nämlich auch sein, eine vertraut abgegriffene Floskel in einen ungewohnten Kontext gestellt neu zu finden. Zumindest versucht habe ich das mit "Ich bin dann mal weg" ...


Da holt man doch glatt den Grog raus und setzt sich an den Kamin. Da wirkt die SF-Prosa-Fortsetzung aber noch grusliger ...


 Liebe Kinder (2)


Tim war zwar nur 15 Monate jünger als die Schwester, aber mit seinen 8 Jahren hatte er noch kein Interesse gezeigt. Und am schlimmsten waren ja eigentlich Sannes Blicke, solche, wo es Claudia eiskalt den Rücken heruntergelaufen war und sie dachte, die weiß schon alles. Alles, verstehst du, Martin, hatte sie geschrieben, alles …
Darauf war Martin nicht eingegangen.
Ach Martin … Es ist bestimmt besser, dass du mich so … wieder schluchzte Claudia auf, diesmal mit schmerzhafter Koketterie … so sexy in Erinnerung behältst. Was ist das schon für ein Leben, wenn man einen Millimeter Farbcreme auftragen musste, um noch als Frau wahrgenommen zu werden und nicht als Greisin. Obwohl … in den letzten Wochen war Claudia gar nicht mehr draußen gewesen. Längst machte Sanne alle Erledigungen. Überhaupt blieb Sanne lange draußen weg in letzter Zeit, und sie lächelte nur so komisch still wissend in sich hinein, wenn Claudia fragte, wie sie zum Beispiel zu dem frischen Gemüse gekommen war. Wie viel wusste sie vom Leben? Zu viel, bestimmt zu viel!
War das seltsam. Nicht einmal hatte Martin ihr gegenüber die Krankheit erwähnt. Obwohl es doch nichts Wichtigeres gab auf der Welt. Alle redeten von nichts Anderem. Ahnte er, warum sie es nicht erwähnt hatte?
Ob er wohl Forscher werden wollte? Vielleicht ein Mittel erfinden, mit dem es endlich wieder ein richtiges menschliches Leben gäbe, so eines mit richtigen Erwachsenen?
Und plötzlich ahnte Claudia, warum Martin nie auf die Wiederherstellung der Videoverbindung zurückgekommen war. Er war doch selbst in dem Alter. Vielleicht hatte er schon kurz, nachdem sie sich nur noch schriftlich verständigten und sie ihm ein paar Fotos geschickt hatte, am Computer gesessen, ihr Bild an den Monitor geklemmt, seinen Penis in der Hand. Die meisten Jungen machten das so. Und da hatte er vielleicht zum ersten Mal bemerkt, dass es nicht ging. Dass da nur etwas Schwabbeliges zwischen seinen Beinen hing und sich streicheln ließ und er konnte das gewagteste Foto von Claudia betrachten und es rührte sich nichts! Nichts! Das war vielleicht für einen Jungen noch viel schlimmer als ihr Altern als Frau. Denn noch, als sie schon aussah wie Ende 30, war sie eine Frau, nach der die Männer sich umdrehten. Martin war vielleicht schon längst kein Mann mehr, also vom Selbstgefühl, und er hatte es die ganze Zeit verleugnet, sich damit abgelenkt, dass er einer großen Schwester Erziehungsratschläge gab. Dann hatten sie in den letzten Wochen also deshalb so viel miteinander gechattet, weil auch Martin kaum den Weg auf die Straße schaffte. Claudia versuchte sich den Jungen mit dem Gesicht eines Greises vorzustellen. Es gelang ihr nicht. Nein, es klappte einfach nicht, sich jenen Jungen, der damals Kopfstand vor dem Kameraauge gemacht hatte, um sich so mit ihr zu unterhalten, sich über den Rollator gebeugt vorwärts kämpfend vorzustellen. Wenn er denn einen ergattert hatte.  

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