Mittwoch, 15. Februar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1300

Auch nach der ersten Klickmillion geht es normal weiter. Tradition ist inzwischen, einen Blick auf die "Gedichte des Tages" von übermorgen zu werfen. Vorbehaltlich von kurzfristigen Änderungen sähen die folgendermaßen aus:


Wenn ich verrate, das erste Gedicht des Tages heit "Krähengesang", dann weiß nur ein Zufallsbesucher hier nicht, dass ein solcher Titel nicht vonUrsula Gressmann stammt.
Was gibt es Schöneres an einem literarischen Blog, als nachzuverfolgen, wie der Beitrag des einen Autors einen anderen zu einem "eigenen" inspiriert. Das Wunder ist dabei mitunter, wie mit ganz wenigen Veränderungen eine neue Aussage geschöpft wird. Ich hoffe zumindest, dass auffällt, dass das Ergebnis "Arbeitsatmosphäre" von Brunhild Hauschild sich vom "Inspirant"  "Unheimlich privat" nicht nur dadurch unterscheidet, dass aus Schildkröten Elefanten geworden sind ...


Die SF-Prosa-Fortsetzungsgeschichte ist eine "Endzeit-Erzählung", die über Shortstory länge hinausreicht, aber eben noch kein "Roadmovie" geworden ist:

Slov ant Gali: Liebe Kinder (10)    

...
„Wollt ihr bei uns bleiben? Ist sonst eh nix los.“
Zum einen gefällt mir Türk … zum anderen …
Ich traue meinen Ohren nicht, als ich mich antworten höre: „Falsche Frage. Richtige Frage: Wollt ihr euch uns anschließen?“
Zwei der Jungen, deren Namen mir entfallen sind, kaum dass ich sie gehört habe, stehen auf und starren jetzt auch.
„Na, die letzten Tage werden bei mir nicht vergammelt.“
Ich sage es in meinem Große-Schwester-Ton und niemand widerspricht. Es sind ja alles nur Jungen.

(5)
Sannes erste Amtshandlung als Gruppenobmann war eine Art Wohnordnung. Jeder war nun zuständig für eine eigene Wohnung, Sauberkeit und dass sein Bett darin so aussah, dass man sich gern hineinlegte. Dazu kam ein Gemeinschaftsraum, für dessen Zustand sie reihum zuständig sein sollten. Und wozu das Ganze, hatte Türk noch versucht, zu widersprechen. Na, es könne ja sein, dass sie nicht immer im selben Bett schlafen wolle, hatte Sanne erklärt. Aber in einem verkeimten auf keinen Fall …
Türk hatte anzüglich gelacht. Aber er hatte genauso reagiert wie die anderen: Gleich wenn man das Haus betrat, wirkte es schon am nächsten Tag wohnlicher. Niemand gab zu, das Glas mit dem Grün ins Treppenhausfenster gestellt zu haben. Aber am Vortag hatte es noch nicht dort gestanden.
Am Abend des zweiten Tages gab es einen leisen Streit im Zimmer der Geschwister.
„Das hast du doch nicht wirklich ernst gemeint, oder?“
Tims Frage stand als Vorwurf im Raum.
„Meinst du, ich mache leere Versprechungen? Außerdem … du weißt doch ganz genau, dass ich fast immer mit meinem Körper bezahlt habe, was wir zum Leben brauchten. Das ist doch nix Neues. Was Anderes hab ich doch nicht.“
Tim hörte nicht den Trotz, er hörte nur die Worte. Die nahmen ihm den Atem. Sanne wusste, es war gemein und es gab einen Unterschied zwischen etwas wissen und etwas wirklich wissen. Gesprochen hatten sie nie darüber.
„Aber das hier ist etwas Anderes.“ Wieder so eine Floskel, deren tiefe Bedeutung beide gern umgangen wären. Doch dann setzte Sanne Tim ihre Beweggründe auseinander.
Noch sei gar nicht heraus, erklärte sie, bei wem die Männlichkeit über die große Klappe hinaus reichte. Es sei zwar niemandem ein Symptom der Erkrankung anzusehen, aber die verliefe ja immer mit kleinen Nuancen. Sie wolle ein Kind. Etwas, wofür es sich noch ein wenig zu leben lohne, etwas, was bedeutete, es sei eben nicht alles zu Ende. Ob er das denn nicht verstehe? Sie wolle sogar zwei Kinder. Solche wie ihn und sich. Solche, für die sich die letzten Tage lohnten. Jeder einzelne. In jeder Unwahrscheinlichkeit sei immer noch ein Stück Hoffnung. Ein ganz kleines nur, aber eben eine Chance größer als Null. Ihre Chance sei eben erst Null, wenn sie wirklich gestorben seien. Und wenn ihre Babys als Babys starben, dann war das eben so … aber sie hätten es wenigstens versucht. Ob er denn wirklich wolle, dass sie sich in ein paar Monaten gegenseitig anödeten, weil sie selbst zum Sterben zu doof waren und Verhungern sei kein schöner Tod, aber wer sollte denn rausgehen, um für sich etwas zu Essen zu besorgen und das sei doch nur ein längeres Sterben. Ob er das wolle? Er solle sich doch einmal vorstellen, dass jeder dieser Junge sich ausmalte, Vater des Babys zu sein. Kämpfen würden sie. Tag um Tag für das Kind und vielleicht für ganz wichtige Momente vergessen, dass sie gerade beim Sterben waren. Denn was sei denn Leben sonst Anderes als aufgeschobenes Sterben und das Pflanzen von Hoffnung. Und der Anfang sei doch schon gemacht.
Tim verstand diese Anspielung nicht. Er wollte Sanne weiter bedrängen. Doch die rüttelte ihn. Mensch, Tim, klar kann es ein Zeichen der Krankheit sein, dass die Blutung ausgeblieben ist und sie war ja immer sehr unregelmäßig gekommen wegen der vielen Aufregungen. Aber sie sei sich fast sicher, da wuchs schon was. Und er solle darüber die Klappe halten. So, wie sie noch ein paar Wochen die Klappe halten würde. Dann würde sie jedem erzählen, das Kleine sei von ihm und dass sie den Anderen dasselbe erzählen würde. Und sie wünsche sich so sehr, beim nächsten wäre es die Wahrheit, dass sie nicht wisse, wer der Vater würde, aber ob ihm, Tim, nicht aufgefallen sei, dass er wahrscheinlich der Jüngste war und also am ehesten auch für das nächste Kind als Vater in Frage käme? Umso wichtiger sei es, wenn sich alle auf das erste freuten.




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