Montag, 20. Februar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1305

Ist es nicht etwas Positives, ein "Visionär" zu sein? Die Gedichte des Tages" übermorgen zweifeln auf jeden Fall daran:

Erst war ich überrascht: Mit "tanz der lichter" greift Sebastian Deya eines der GdT-Themen auf. Das wäre ja nicht so außergewöhnlich. Aber obwohl er das Thema ganz anders angeht als in "Visionären geklagt" - hier sei an Ursula Gressmann / Slov ant Gali: Visionären geklagt (1)  erinnert . wirkt auch bei Sebastian Deya das Motiv eher negativ belegt ...


Nach der nicht gerade positiv visionären SF-Fortsetzungsgeschichte ist das vielleicht verständlich. Also folgt nunmehr eine kürzere, vor der ich gleich warne: Sie ist sehr langweilig und nur mit einem gerüttelt Maß weiblicher Boshaftigkeit kann man sich über sie amüsieren:


Slov ant Gali: Eine Reinigung (1)

Er lächelte. Also das war noch wie in den Jahren zuvor. „Wasserschutzgebiet“. Dasselbe rechteckige Hinweisschild wie seit eh und je und daneben das dreieckige mit der Eule „Landschaftsschutzgebiet“. Nichts deutete darauf hin, dass hier inzwischen die Außenstation eines biologischen Forschungsinstituts eröffnet haben sollte. Im lokalen Werbeblättchen war dazu ein kleine Artikel erschienen. Es wurde vor dem wilden Baden im Testsee gewarnt. Man erprobe neuartige Methoden der Sauberhaltung des Wasserbiotops. Biologische. Solche, bei denen alle Stoffe, die komplizierter als H2O waren, radikal und schnell abgebaut würden. Allerdings wurden zu Beginn jeder Saison Storys verbreitet, die den Einsatz von Ordnungskräften gegen die Wildbader unnötig machen sollten.
Hinter Reinhard ruhte die Reihe der parkenden Autos am Straßenrand. Eindeutig zu viele, als dass sie alle den Anwohnern gehören konnten. Schnell rüber über die Marienstraße. Nun ging es nur noch den schmalen Pfad weiter. Wenn Reinhard jetzt eine Familie im Gänsemarsch oder Radfahrer entgegengekommen wären, hätte er auf den Wiesenrand ausweichen müssen. Es kam aber niemand. Dafür stieß er auf den Hauptweg und der tauchte in ein strauch- und baumkronenüberschattetes Wegstück ein. Man musste schon wissen, wohin man wollte. Er wusste es. Nun kam die nächste Gabelung. Rechts die Strandecke für die Ghetto-Nackten, links der freie Strandabschnitt, an dem sich Nackte und Textilierte relativ harmonisch mischten. Vielleicht die Bekleideten eher weiter hinten, zur Insel hin.
Reinhard wählte den linken Pfad. Das hatte einen Nachteil: Er ging direkt auf den Müllpunkt zu.
Der Müllpunkt war ein typisches Produkt deutscher Bürokratie. Natürlich durfte es an dem See keine Badestelle geben. Wo keine Badestelle war, konnte es keine sanitären Einrichtungen, Müllsammelplätze und ähnliche zu einer Badestelle gehörende Dinge geben. Andererseits gab es diese Badestelle seit Jahrzehnten. Richtiger: Es wurde rund um den gesamten See gelagert, um zu baden, nur an dieser Stelle eben geballt. Also hatte irgendwann einmal jemand am Beginn dieses Strandes, der kein Badestrand sein durfte, eine Stange eingepflanzt und an dieser Stange einen großen blauen Plastiksack befestigt. So hätte „man“ dort seinen Müll hineinstopfen können.
Der Sack wurde jeweils Anfang des Jahres ausgetauscht. Reinhard gehörte nicht zu den Eisbadertypen. Stets hatten schon Massen die Saison vor ihm eröffnet. Jedenfalls kannte er den Platz um den Müllsack nur in immer gleichem Zustand: Etwa im Umkreis von zwei Metern lagen Joghurtbecher und Reste vergangener Zeiten so sorgsam verstreut, als hätten Wildschweine die Hoffnung auf Fressbares zu spät aufgegeben. Vielleicht sollte dieser Anblick die eintreffenden Badelustigen von ihrem Vorhaben abhalten. Schon lange gingen die aber mit galantem Wegseh-Blick daran vorüber. Natürlich auch Reinhard. Diesmal aber hatte der blaue Sack einen Bruder bekommen, und jemand hatte sehr sorgfältig allen herumliegenden Müll beseitigt. Jedenfalls war kein einziges Teil zu sehen, das nicht natürlich gewachsen wäre. Badende waren allerdings so viele am Rand des Sees verstreut wie in den Jahren zuvor. ...  




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