Sonntag, 26. Februar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1311

Während Brunhild Hauschilds Gedichte die Mühe um saubere Form anzumerken ist, geht Sebastian Deya stehts sehr großzügig mit Formalem um. Nachahmung wird zumindest dort nicht empfohlen, wo Strukturen künstlich auf Reim gedrillt werden. Man beachte aber andererseits die Vortragsweise, die durch die Form bedingt ist. Über "traumhaft" wollte ich mich anfangs beschweren. Die Kombination mit dem DDR-Hit gibt dem ganzen allerdings einen besonderen Kick ... 
Tja, Slov ant Gali ... so 100 Prozent ohne Schmunzeln wird das wohl nicht gelesen werden, hoffentlich ... damit keiner die Frage stellt, ob denn das ein Gedicht ist ...: "Natürliche Revolutionskraft" ...

Da haben wir die beiden potentiellen "Gedichte des Tages" von übermorgen. Falls jemandem da eine Frage kommt: Ja, ich blicke vom Schreibtisch auf einen Kaktus und der fragt mich, wann ich ihm wieder ein Gedicht widme ...
Schon sind wir bei der bösen Fortsetzungsgeschichte ...

Slov ant Gali: Kanskes Kamera (4)


... Längst hatte Bertram Kanske alle organisatorischen und rechtlichen Fragen anderen übergeben. Gelegentlich meldete sich sein Anwalt. Da habe beispielsweise eine Frau Seligmann sich als unfreiwilliges Aktmodell wiedererkannt. Sie ließe sich von einer besonders renommierten Kanzlei vertreten. Ob er einverstanden wäre, …
Nein, er war natürlich nicht einverstanden. Das sei rechtliches Neuland, und um im Gespräch zu bleiben, müsse man nicht nur vor Gericht landen, sondern in erster Instanz verlieren, um auf höherer Ebene dann ein positives Grundsatzurteil zu erstreiten. Mochte die Frau noch eine Weile auf ihre zwei Millionen Schadenersatz hoffen. Der Fall brächte die Kanske-Kunst wieder auf die Titelseiten, und jetzt würden seine Bildbände mit neuem Ziel gekauft: Wer erkennt sich darin als in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt?
Wie erhofft waren die Entblößungskunstwerke das Nummer-1-Jagdobjekt. Mehrere Verlage brachten sich in die Schlagzeilen, indem sie sich gegen einstweilige Verfügungen wehrten. Sie alle verbreiteten flammende Verteidigungen der Freiheit der Kunst. Oder dessen, was eben ihre Kunst war.
Amüsant war übrigens, dass es außer Kanske kein Entblößungsfotograf zu Ruhm oder gar Geld brachte. Ihm jedoch hing eine riesige weltweite Internetgemeinde an. Es schien kein größeres Vergnügen für die Leute zu geben als einander die Intimitäten bloßzustellen. Ja, auch eine Reihe „Besondere Peinlichkeiten“ hatte Kanske herausgebracht. Die verkauften sich sogar besser als Bilder von erotischer Schönheit.
Hatte Kanske früher schon seine Mitmenschen nur im Stillen verachtet, steigerte sich von Woche zu Woche seine Wut. Schließlich erwiesen sich ja auch die Hochglanzmagazine, die die Entblößungsorgien mit schwarzen Balken auf den Beispielen vorstellten, als scheinheilige Dreckversilberer.
Wenn er ehrlich war, widerte ihn seine eigene Tätigkeit an. Manchmal hatte er Anwandlungen von Kunstkreationen. Dann ging er noch fotografieren, versuchte aber, das Entblößende der Kameratechnik durch besondere Perspektiven zu mindern. Meist scheiterte er aber dabei. Gerade das, was man beinahe nicht sah, forderte die Neugierde heraus. Kanske merkte es ja selbst, wenn er Fotos für Bildbände, Ausstellungen oder andere Veröffentlichungen aussuchte.
Und bei einer solchen Objektsuche geschah es. Ihm fiel ein Mädchen auf. Er konnte nicht einmal sagen wodurch. Also sie war nicht aufdringlich hübsch, eher unscheinbar. Vielleicht, ja, bestimmt waren ihre Proportionen besonders harmonisch. Sie hatte halblanges dunkelblondes Haar, das Foto hatte aber gerade geblähte Nasenflügel eingefangen, das Becken war breit, die Taille betont, die Brüste … hm … waren die echt, die Form Produkt der Kleidung … ?
Kanske erwischte sich dabei, wie er beim Betrachten der Aufnahme verharrte. Und wie sein Blick nach interessanten Details suchte. Und wie er diese Details nicht in der Nacktheit des Körpers sondern im Gesicht suchte. Im Ausdruck der Augen, ihrer Farbe, dem Geheimnis im Blick. Die Iris blau zu nennen wäre ihm platt vorgekommen. Aber als er nach treffenderen, bildhafteren Ausdrücken suchte, fielen ihm nur welche ein, die ihm noch viel platter vorkamen. Tiefer See, Himmel, wie hieß dieser Edelstein? Oder war´s ein Halbedelstein? Richtig peinlich. Ein Glück, dass ihn niemand beobachtete.
...


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