Mittwoch, 5. Januar 2011

DREI Nummer 911

Wie kompliziert und verschlungen dürfen Metaphern sein?
Die einfachste Antwort: So verschlungen, wie es der Kompromiss zwischen dem Noch-Verstanden-Werden-Wollen und dem eigenen Vergnügen an dem Werk es zulassen.
Nehmen wir das Folgende:

  Slov ant Gali:
Frankfurt, Börsenplatz 2 - 6
Spinnen wir
das Gold
des Kalbes
 zurück zu
Stroh
bevor der
zermalmende Bulle
kein Korn mehr ließ
Der Tempel
sind genug gebaut
 zu Ehren
des Angebeteten
Wann wittern
seine Steine
zur Erde
ohne Angst
vor Bären

Die Überschrift grenzt die Suche nach der Bezugsebene (zu?) stark ein. Es muss also etwas mit der Frankfurter Börse zu tun haben - wahrscheinlich nicht nur, aber der konkreten Adresse wegen zumindest auch mit dem Ort. Damit könnte der Ausdruck "Tempel" klar sein. Es ist nicht ungewöhnlich, eine Börse als Tempel zu bezeichnen, wo das Geld, das Kapital, der Profit angebetet wird.
Wer schon einmal vor dieser Adresse gestanden hat, wird dort auch ihren Symboltieren begegnet sein: Der Bullen und dem Bären. Ersterer steht für steigende Kurse, also dem Drang des Systems nach Ausdehnung, Wachstum, Profit, der Bär für fallende Kurse, Rezession, wirtschaftlicher Niedergang. Probleme der Börsianer, die mit Erwartungen handeln.
Nun wird es etwas schwieriger: Eines der oft gebrauchten Symbole der Bibel ist das Goldene Kalb bzw. der Tanz darum. Die Anbetung des (wachsenden) Reichtums an Stelle der durch den einen Gott verkörperten ethischen Werte.
Bleibt noch das Märchen-Motiv von Rumpelstilzchens Zauberwerk, aus Stroh, also einem Nebenprodukt auf Gebrauchswert orientierter Arbeit, Gold, also das Symbol von Macht und Besitz zu machen. Das lyrische Bild fordert die Umkehrung des Vorgangs, also aus den Wertsymolen wieder zu den wirklichen Gebrauchswerttätigkeiten zurückzukehren. Und für verwittern wird man doch wittern sagen dürfen und dieses natürliche Schicksal dem Börsentempel zuordnen ...
Unverständlich?
Eine andere Möglichkeit, dem Leser einen besseren Zugang zu einem Gedicht zu ermöglichen, sind natürlich Illustrationen wie bei Slov ant Galis Hanoier Traum aus "worträume".  Zwar wird das eine künstlerische Bild eigentlich nur durch ein ein anderes illustriert, aber Menschen haben nunmal verschieden ausgeprägte Sinne und mancher muss etwas sehen. Immer aber wäre ein gewisses Grundwissen nötig - wie in dem Falle das Wissen, dass es in Hanoi eben ein Literaturmuseum gibt, in dem Schildkröten die Säulen der Weisheit tragen ...
Romane, auch utopische haben dagegen den Vorteil, dass sie mitunter das sagen dürfen, was sie sagen wollten:


 

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