Mittwoch, 2. Mai 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1376

Welche "Gedichte des Tages" sind nach dem 1. Mai angesagt?

Was passiert, wenn eigene Gedichte nach Jahresfrist, in der sie unberührt sich vom Autor Slov ant Gali entfremden konnten, wieder aufgegriffen werden? Es kann vorkommen, dass ich einfach sage, so würde ich das heute wieder machen wollen, wenn ich denn könnte ("Zeitentenor"). Es kann aber auch vorkommen, dass ich immer noch hilflos einem inneren Problem gegenüberstehe ... oder aufatme: Warum ist mir diese "Lösung" nicht gleich aufgefallen ("das gedicht")

Dazu kommt für das für das Journal des Tages noch eine Fortsetzung des utopischen Romans hinzu:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (39)


... Ich war mir sicher, dass diese Krankheit auf der Erde nie so schnell vorangeschritten war ... Allerdings war sie dort früher oft tödlich verlaufen. Manche Krankheiten verlaufen aber auch schnell, heftig ... und vergehen wieder. Ich ahnte schon, dass ich mir die Wirklichkeit gern zurechtträumen wollte. Sie ließ meine Wunschträume nicht an sich heran. Schon am Abend war eines der wenigen Babys gestorben.
Was auch immer ich mir an Strategien überlegt hatte – es war wertlos geworden. Ich musste handeln. Die Frage war nur wie.
Die Antwort auf die Frage kam von den Dörflern selbst. Ich weiß nicht, ob ich sie wegen des folgenden Verhaltens für gefühl-, pietät-, traditionslos halten sollte. Mit Gesten verständigten sich die Bewohner jener Hütte, in der das Baby verstorben war, dass die älteste Frau es aufheben sollte. Drei Männer folgten ihr auf einem Weg raus aus dem Dorf. Sie murmelten etwas von „... wird bei Aschakaalas Würmern träumen ...“ Noch vor Einbruch der Dunkelheit waren die vier wieder zurück, schwach, aber ohne Zeichen von Trauer.
Ich hatte keine Wahl. Ich konnte nur darauf setzen, dass die Dorfbewohner von der Krankheit so geschwächt waren, dass sie auf umgehende Geister nicht reagieren würden. Wenn ich nicht viele weitere Tote riskieren wollte, musste ich den Leichnam untersuchen, richtiger: der Analysator musste es. Dazu musste ich den Körper des Babys finden. Ich musste in die Nähe des Dorfes – weit konnten die vier nicht gelaufen sein - und das Grab öffnen.

Es gab kein Grab. Der nackte Körper war etwa 200 Meter von den Hütten entfernt, aber auf der den Feldern abgewandten Seite, verscharrt worden. Mit einer Lampe fand ich die Stelle. Ich gab mir keine Mühe, beim Suchen und Buddeln unbemerkt zu bleiben. Die Zeit drängte, und bisher hatte nichts darauf hingedeutet, dass die Dörfler einen vermeintlichen Geist – und wofür sonst hätten sie mich halten sollen – bei seinem Wirken stören würden.
Mein Einsatz wurde ein voller Erfolg. Nicht nur, dass ich den Babykörper dem Analysecomputer anvertraute, nein: Noch vor Mitternacht hatte das Med-System eine Art Serum entwickelt, das die Wirkung jenes offenbar nur bakteriellen Krankheitserregers neutralisieren konnte. Dort, wo ich herkam, hätte man den Kopf geschüttelt. Ich replizierte vorzeitliche Spritzen mit einer Pistole dazu – und nach etwa 100 Stück ... übermannte mich der Schlaf ...
An Horrorträumen hatte ich in dieser Nacht keinen Mangel. Trotzdem oder vielleicht sogar deshalb war ich am nächsten Morgen früh hellwach. Ich schaute kaum die Monitore durch – es war auch nichts Überraschendes zu erkennen; im Wesentlich wälzten sich die Dörfler in ihren Schmerzen. Demnach lebten sie also noch.
Ich hatte mich entschieden. Bei meinem ersten Auftritt konnte ich der Eile wegen nicht auf Gewalt verzichten, wollte ich kein Risiko eingehen.

Was wäre gewesen, wenn die Dörfler im Schreck über mein Auftauchen nur kurz ihre Lethargie überwunden hätten, geflüchtet und in irgendwelchen Verstecken krepiert wären – und wäre es auch nur ein Teil von ihnen? Sie durften meiner Behandlung doch auf keinen Fall entgehen.
Meine Kampfroboter stattete ich mit einem an mittelalterliche Ritter erinnernden Äußeren aus; ihre Phots regelte ich auf minimalen Impuls herunter. Normalerweise führte dies nur zu einer kurzzeitigen Lähmung – allerdings war der Zustand meiner Zielpersonen unnormal schlecht. Es war also besser, die Waffen überhaupt nicht wirklich einsetzen zu müssen.
Schließlich postierte ich meine Ritter rund um die Siedlung. Als die Hütten ausreichend dicht umzingelt waren, gab ich den Befehl zum Abmarsch. Jeder rückte gerade auf die Hütten zu. ...

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